Immer mehr Menschen in Deutschland haben einen Zweitwohnsitz. Warum Personen an zwei Orten leben, und welche Schattenseiten das multilokale Wohnen hat.

Digital Desk: Philip Kearney (kea)

Zu Hause ist es bekanntlich am schönsten. So schön, dass manche gleich zwei Wohnungen haben und damit an zwei Orten daheim sind. Wie viele Personen in Deutschland derzeit einen Zweitwohnsitz haben, ist unklar. Die Einkommens- und Verbraucherstudie aus dem Jahr 2013 ist die letzte Erhebung, von der offizielle Zahlen dazu vorliegen. Damals hatten fünf Prozent aller Privathaushalte in Deutschland eine weitere Wohnung bezogen.

 

Auch wenn keine aktuellen Daten vorliegen, sind sich die Experten einig, dass die Zahl seit 2013 signifikant zugenommen hat. Schon deshalb, weil Arbeitsplätze und damit Wohnsitze schneller gewechselt werden als früher. So schreiben Martin Albrecht vom Unternehmen Gertz Gutsche Rümenapp – Stadtentwicklung und Mobilität und Andrea Dittrich-Wesbuer vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in einer Studie: „Steigende Mobilität ist ein Megatrend unserer Zeit. In diesem Trend liegt das multilokale Wohnen.“ Letzteres meint das Leben an unterschiedlichen Orten, in mehreren Wohnungen. Diese Wohnungen werden Haupt- und Neben- oder auch Zweitwohnung genannt.

Das Bundesmeldegesetz ist streng

Nach Paragraf 21 des Bundesmeldegesetzes ist die Hauptwohnung „die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners“ und die Zweitwohnung die „weitere Wohnung des Einwohners im Inland“. Das heißt, die Hauptwohnung ist auf dem Papier die Wohnung, in der sich eine Person die meiste Zeit aufhält. Dass dies in der Realität nicht immer so ist, fanden Lena Greinke und Linda Lange von der Universität Hannover bei einer Untersuchung des niedersächsischen Landkreises Diepholz heraus. Sie stellten fest, dass der Großteil der multilokal lebenden Personen unter der Woche in der Zweitwohnung ist und sich nur am Wochenende in der Hauptwohnung befindet.

Zudem ermittelten Greinke und Lange, dass bei knapp zwei Dritteln der Personen beruflich, ausbildungs- oder studienbedingt ein zweiter Wohnsitz nötig ist. Neben der Arbeit sind auch Familie und Freizeit Gründe, weshalb Menschen einen Zweitwohnsitz haben. Hat eine Person aus beruflichen Gründen einen Nebenwohnsitz am Beschäftigungsort, dann liegt eine doppelte Haushaltsführung vor. Die hieraus resultierenden Mehraufwendungen sind innerhalb bestimmter Grenzen als Werbungskosten von der Steuer abzugsfähig.

Zweitwohnungssteuer und weitere Kosten

Trotzdem ist es meist teurer, eine Zweitwohnung zu unterhalten, als aus der alten in eine neue Wohnung zu ziehen oder täglich zu pendeln. Das liegt vorrangig daran, dass für zwei Wohnungen Miete bezahlt werden muss. Hinzu kommen weitere doppelte Kosten, etwa für die Müllentsorgung. Beim Einzug in eine unmöblierte Wohnung müssen zudem Möbel und auch Utensilien wie Haushaltsgeräte gekauft werden.

Die Nebenwohnung ist wie die Hauptwohnung innerhalb von zwei Wochen nach dem Einzug beim Einwohnermeldeamt anzumelden. Bei verspäteter Anmeldung droht ein Bußgeld. Wie für den Hauptwohnsitz muss man auch für seinen Zweitwohnsitz Steuern zahlen. Wie hoch die Zweitwohnungssteuer ausfällt, hängt von dem Steuersatz des Zweitwohnorts ab. Dieser variiert von Stadt zu Stadt stark. Beispielsweise ist der Steuersatz in München mit 18 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der in Hamburg mit acht Prozent. Unter den 15 größten Städten in der Bundesrepublik Deutschland verlangt lediglich Düsseldorf keine Zweitwohnungssteuer.

Berufspendler profitieren von Ehe

Doch auch außerhalb von Düsseldorf muss nicht jeder, der einen Zweitwohnsitz hat, die Zweitwohnungssteuer bezahlen. So sind Berufspendler, die verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, davon ausgenommen. Auch Auszubildende, die ihren Nebenwohnsitz bei ihren Eltern haben und noch nicht finanziell unabhängig sind, sind von der Steuer befreit. Mancherorts kann eine Befreiung beantragt werden, wenn das Einkommen eine bestimmte Grenze nicht überschreitet.

Von der Einkommensgrenze profitieren vor allem Studierende. Diese zählen zu den Personengruppen, die besonders häufig Zweitwohnungen beziehen. Eine Nebenwohnung können sie sich nur deshalb leisten, weil ihr Erstwohnsitz die Wohnung der Eltern ist. Folglich müssen sie lediglich einmal Miete bezahlen.

Zwei Wohnungen können bei den aktuellen Mieten nur die wenigsten Leute finanzieren. Solange die Mietpreise nicht sinken, bleibt der Trend multilokale Lebensweise also größtenteils Personen vorbehalten, die kostenlos an einem ihrer Wohnsitze leben oder über ein hohes Einkommen verfügen.

Expertinnen untersuchen Zweitwohnungssituation in Modelllandkreis

Diepholz
Im von zwei Expertinnen untersuchten niedersächsischen Modelllandkreis Diepholz haben 5,5 Prozent der Einwohner eine Zweitwohnung. Bei 3,5 Prozent befindet sich die Nebenwohnung in Diepholz, bei zwei Prozent die Hauptwohnung. Der Anteil der Menschen mit mehreren Wohnsitzen ist bei den 25- bis 34-Jährigen mit knapp über zehn Prozent am höchsten, gefolgt von den 18- bis 24-Jährigen mit etwa neun Prozent und den 35- bis 49-Jährigen mit rund acht Prozent.