Nicht jede Begleiterscheinung der Pandemie ist beklagenswert: Sieben Beispiele, wie das Virus unsere Freizeit verändert und uns in Gärtner, Wandervögel und Nebenerwerbsbäcker verwandelt hat.

Stuttgart - Leere Straßen, leere Geschäfte, leere Stimmung: Die Welt steht still, schon wieder. Innerhalb der eigenen vier Wände und drum herum herrscht dagegen hektische Betriebsamkeit. Sieben Varianten von Müßiggang, die Corona über uns gebracht hat.

 

1. Auf die Matte!

Der Lärm aus dem Eingangsbereich der Wohnung klingt nach einer Herde Büffel. Bei näherem Betrachten sind es zum Glück nur die Kinder, die mit vollem Körpereinsatz die Übungen der Basketballer von Alba Berlin vor dem iPad nachstellten. Online-Sportkurse boomen im Zeitalter des Shutdowns. Ob Yoga- oder Fitnessübungen: Es gibt kaum eine Leibesertüchtigung, die in den vergangenen Monaten angesichts geschlossener Vereine und Sportstudios nicht ins heimische Wohnzimmer verlegt wurde – von 100 Meter Kraulen vielleicht mal abgesehen. Wenn der Mensch nicht zum Sport kann, kommt der Sport eben zum Menschen, damit dem nicht die Decke auf den Kopf fällt. Beim Stichwort herabstürzende Decke gehen Grüße raus an die Nachbarn einen Stock tiefer: Danke fürs Verständnis.

2. Ab in den Wald!

Der Lockdown löste bei vielen Menschen einen unbändigen Drang nach Freiheit aus. Wer sich nicht mit Leerdenkern gemein machen wollte, stürmte daher in die Wälder. Nur raus ins Freie, um den eigenen, plötzlich so engen vier Wänden zu entfliehen. Da der Deutsche nichts ohne Plan macht, schlug sich der Ansturm auch im Internet nieder. „Wir haben im Online-Shop ein Vielfaches an Wanderkarten verkauft. Allein im April und Mai 2020 war es eine Steigerung um 55 Prozent zum Vorjahr“, erklärt Ute Dilg vom Schwäbischen Albverein. Da alle Veranstaltungen ausgefallen seien, habe der Verein sein Online-Angebot ausgeweitet, zahlreiche Wander- und Basteltipps bereit gestellt und damit kräftig gepunktet: „Die Zahl unserer Follower und Gruppenmitglieder hat sich vervielfacht.“

3. Hört ihr mich?

Meistgehörter Satz in digitalen Konferenzen im Jahr 2020: „Könnt ihr mich hören“, gefolgt von „Sie müssen schon Ihr Mikrofon einschalten, Herr Häberle!“. Auf Platz 3: der Soundtrack der Spülmaschine, die Kollege XY während der Wochenkonferenz ausräumt, dabei aber leider sein Mikrofon angelassen hat. Videokonferenzen sind Segen und Fluch zugleich, in Zeiten von Corona aber unvermeidbar.

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Doch die Konferenz in Stakkato-Akustik hat auch ihre Vorteile. Statt Anzug und Kostüm wird in T-Shirt und Jogginghose konferiert. Länger und gemütlicher war der Casual Friday noch nie – was uns zu Platz 4 der meistgehörten Sätze führt: „Herr Maier, bitte schalten Sie doch die Kamera aus, wenn Sie während der Besprechung schon unbedingt auf die Toilette gehen müssen.“

4. Meer geht nicht

Meer war in diesem Jahr einfach nicht drin. Wer den Sommer dennoch nicht trockenen Fußes verbringen wollte, besorgte sich einen Pool – je nach Budget gemauert, verschraubt oder aufblasbar. Der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten registrierte einen „signifikanten Anstieg“ der Nachfrage, mancher Baumarktbetreiber meldete gar ein Plus von 50 Prozent. Es galt: Wer sich das Hotel und den Flug spart, kann sich stattdessen einen eigenen Pool leisten. So groß war der Ansturm, dass viele Willige im Fachmarkt vor leeren Regalen standen und sich mit einem winzigen Planschbecken oder einer Maxi-Packung Klopapier trösten mussten. Wobei auch das im Corona-Sommer kein allzu großes Problem war. Schließlich war das Kind überglücklich – wenn auch im Nachbarpool.

5. Alles muss raus!

Der Altpapiercontainer ist seit Tagen wegen Überfüllung geschlossen, im Keller hängen plötzlich statt nackter Glühbirnen richtige Lampen, und die Bedienungsanleitung für den Walkman ist auch wieder aufgetaucht. Seit Monaten haben die Leute deutlich mehr Zeit, als sie mit Netflix totschlagen können. Und da der Mensch nicht stille stehen kann, wird der Freiraum genutzt, um fleißig solchen zu schaffen: Deutschland mistet aus, alles muss raus. Speicher und Schränke leeren sich, die Leichen im Keller werden rar. Nun klingt Ausmisten nicht nach Vergnügen, doch wer seine ewige To-do-Liste zerreißen kann, merkt schnell, wie befriedigend es ist, Ballast abzuwerfen. Ein weiteres Plus: Wenn das pralle Leben wieder beginnt, können Sie sich ungehemmt ins Vergnügen stürzen.

6. Mehr Grün wagen

Das Online-Portal Statista wollte von ausgewählten Deutschen wissen, welche Beschäftigungen im Zuge der Corona-Krise neu für die Befragten waren. Rund 27 Prozent der Personen gaben dabei an, sich in Zeiten der Krise im Garten kreativ ausgelebt zu haben. Das ergibt ja auch Sinn: Wer das richtige Gemüse anpflanzt, muss im Shutdown den eigenen Garten, Balkon oder die begrünte Fensterbank gar nicht mehr verlassen. Gut, auf die Dauer ist die Tomaten-Zucchini-und-Gurken-Diät vielleicht etwas eintönig. Wer aber zum Gemüse noch Blumen und weiteres Grün gewagt hat, sichert neben der eigenen Grundversorgung den Fortbestand der Bienen und anderer Insekten und kühlt ganz nebenbei geschickt die überhitzte Stadt ab, denn: nach der Corona- ist vor der Klimakrise.

7. Unser täglich Brot

Erst kam das Virus und dann der Teig: Corona hat uns in ein Volk von Nebenerwerbsbäckern verwandelt. Im Stile von Freibäckerlogen werden Hefeteige weitergegeben: Die sogenannte Mutterhefe wird dabei gehegt und gepflegt wie ein neuer Mitbewohner: Ein Teil wird genutzt, um frisches Brot zu backen, an anderer Stelle wird die Hefe wieder aufgefrischt. Blöd, wenn man die vor sich hin blubbernde Masse im Kühlschrank vergisst. Dann helfen bei der Entsorgung nur noch die Ghostbusters.

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Wem das Herstellen eigener Hefe zu kompliziert ist, kann auf die im Frühjahr gehorteten Hefe-Vorräte zurückgreifen. Kein Hype ohne Hashtag: Bitte vor lauter Backen das Inszenieren im Internet nicht vergessen. Unter dem Schlagwort #breadporn gibt es online hübsche Laiber zu bestaunen.