Die Großstadt Reutlingen hegt Pläne zum Stadtkreis zu werden. Der Landkreis bliebe als ländlich geprägter Kreis zurück. 2015 berät der Reutlinger Gemeinderat, die Entscheidung muss im Landtag fallen.

Reutlingen - Wenn Reutlinger Wünsche wahr werden, wird die Stadt 2016 zum Stadtkreis. Der Landkreis Reutlingen würde ohne seine mit Abstand größte Stadt zu einem Kreis mit ländlicher Ausprägung. Ob der in Baden-Württembergs Geschichte einmalige Vorgang tatsächlich umgesetzt wird, ist noch lange nicht ausgemacht. Der Gemeinderat der Großstadt soll im Frühjahr 2015 beraten und danach darüber befinden, ob er einen entsprechenden Antrag beim Stuttgarter Innenministerium stellt. Dem kann ein Gesetzgebungsverfahren folgen, die letzte Entscheidung fällt dann im Landtag. „Ich gehe davon aus, dass der Landtag kommunal entscheidet“, sagt der Verwaltungsrechtler Klaus-Peter Dolde. Im Rahmen seiner ausführlichen „Stellungnahme zur Gründung eines Stadtkreises Reutlingen“ vermag er keine gravierenden rechtlichen Hindernisse zu erkennen. Reutlingens Oberbürgermeisterin Barbara Bosch sagt dementsprechend: „Ich sehe nicht, warum der Landtag nicht zustimmen soll“.

 

Barbara Bosch nennt als wichtigestes Argument für die Trennung vom Landkreis das „Recht auf kommunale Selbstverwaltung“. Man wolle alle Aufgaben, die die Stadt betreffen, in eigener Verantwortung erledigen. Derzeit untersucht eine Projektgruppe der Stadt 80 Aufgabenfelder, die den Kreis betreffen, aber teilweise schon heute von der Stadt miterledigt werden. Darunter fallen die Abfallwirtschaft, der ÖPNV, Kfz-Zulassung, Feuerwehr oder die Trägerschaft für manche Schulen. Klar ist, dass das Landratsamt auf städtischem Gebiet bleiben könnte. Sämtliche Kreisbewohner könnten auch in Zukunft alle städtischen Einrichtungen nutzen.

„Die Stadt kann alles selbst wahrnehmen“

„Die Stadt kann alles selbst wahrnehmen, daran besteht kein Zweifel“, sagt die Rathauschefin. Noch wird nicht in Zahlen dargestellt, was eine Umsetzung des Plans für die Reutlinger Stadtkasse bedeuten würde. Barbara Bosch deutet an, dass die Rechnung Null auf Null aufgehen könnte. Ein mögliches Sparpotenzial ist für sie auch nicht das vordergründige Argument. Vielmehr sieht die Stadtverwaltung eine zu große Diskrepanz zwischen den Problemfeldern einer Großstadt mit 111 000 Einwohnern einerseits und dem ländlich geprägten Kreis mit der 21 000-Einwohner-Stadt Metzingen als zweitgrößter Kommune andererseits. Dieser Abstand zur nächstgrößeren Stadt sei so groß wie in keinem anderen Landkreis. „Reutlingen ist die einzige Großstadt Baden-Württembergs die nicht Stadtkreis ist“, wird in einer Vorlage argumentiert.

„Die Stadt braucht den Landkreis nicht“, betont die OB. Doch braucht der Landkreis die Stadt? Thomas Reumann, der Landrat des Landkreises Reutlingen, und früherer Finanzbürgermeister der Stadt Reutlingen, ist ein starker Kritiker dieses Plans. Das hat sich im vorigen Jahr schon gezeigt, als die seit drei Jahrzehnten immer wieder aufkommende Idee zuletzt breit diskutiert wurde. Er stellte die Zukunftsfähigkeit der Verwaltungsstrukturen in Frage. Erst am heutigen Freitag möchte Reumann zu den aktuellen Vorstellungen der Großstadt Stellung beziehen.

Wie geht es Landkreis ohne die Stadt?

Die Zukunft des Landkreises fand freilich schon am Donnerstag im Reutlinger Rathaus durchaus Beachtung. Ohne die Großstadt würden im Landkreis 165 000 Menschen leben, mehr als in elf weiteren Kreisen in Baden-Württemberg. Auch in seiner Finanzkraft stünde ein neuer, kleinerer Landkreis besser da als viele andere. Er befände sich im oberen Feld der ländlich geprägten Landkreise. Aufgrund dieser und anderer Kriterien gebe es keinerlei Anhaltspunkte, dass der künftige Landkreis nicht lebens- und leistungsfähig sei, hält die Reutlinger Stadtverwaltung fest. „Wenn der Kreis nicht überlebensfähig wäre, könnten wir es nicht machen“, erklärte Barbara Bosch.