In seinen Texten tummeln sich Adriano Celentano und Georg Büchner, er rappt von New York und grauem Beton: Trettmanns ist am 23. März in Stuttgart im ausverkauften Wizemann aufgetreten.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Nach dem Intro und dem enthusiastisch aufgenommenen „Knöcheltief“ singt Trettmann, der Rapper aus Karl-Marx-Stadt, im gestopft vollen Stuttgarter Wizemann das, wie er hübsch erwähnt, Lieblingslied seiner Mutter. In „Adriano“ kommt der alte Kollege Celentano nicht ganz zufällig reichlich vor: Wie Trettmann ein Junge aus der Plattensiedlung geblieben ist, war Celentano „Il ragazzo della via Gluck“, einer aus der Vorstadt gewesen und wollte nie ein anderer sein. Und er sang: „In dieser Straße lasse ich mein Herz zurück. Dann ging er in nach Mailand, um Zement zu atmen, „respiro il cemento“. Trettmanns Mailand war Berlin.

 

Celentano und Georg Büchner („Krieg den Palästen!“) als Chiffren und Zitate zu nutzen ist das eine. Die deutsche Sprache soweit zu verdichten, dass man mitunter ein Dechiffrierkommando einschalten muss, das andere. Dabei hat das Stuttgarter Publikum so schwierige Dinge wie „Kodiertes Vokabular, Wiese Tarantula, ‚Cold as Ice‘, Foreigner – Nowosibirsk im Januar“, Zeilen also aus Trettmanns „Anorak“-Hookline drauf wie ein Kinderlied. Ansonsten geht die Textkenntnisse jenseits der Stückauswahl von „DIY“ (ohne „Fast Forward“, leider) zurück.

Als Joey Bargeld dazustößt, findet Trettmann zu seinem Flow zurück

Ausnahme von dieser Regel wiederum: „Nur noch einen“, das Stück über den allerletzten Drink an der Bar, nachdem der nächste Tag kommen kann („doch noch nicht jetzt“). Sehr gut gelaunt fungierte da der Monsterchor im Wizemann – erstaunlich viele Frauen darunter _, und es hätte am Ende vielleicht gar nicht unbedingt Joey Bargeld dazu stoßen müssen, der den undankbaren Part des Aufwärmens übernommen hatte, wohl wissend, die Leute waren ziemlich ausschließlich wegen Trettmann gekommen.

Andererseits verschafft allein die Anwesenheit des Familienmitglieds Bargeld auf der Bühne der Hauptperson wieder ein wenig von jenem selbstverständlichen Flow, der Trettmann nach „Grauer Beton“ ein bisschen verloren gegangen ist. „New York“, „Raver“, ja selbst „In meinem Leben“ stellen sich im zumeist lila Licht in guter Klangverfassung vor, geraten aber auch tendenziell routiniert. Was kein Wunder ist, denn Trettmanns zweiter „DIY“-Tourneeabschnitt wird lang und länger, führt in Grenzwelten (Dornbirn) und wird dann in Berlin gipfeln. Allmählich geht wahrscheinlich der Sprit aus.

Ununterbrochen mehr als gute Stimmung

„La Dolce Vita“ und „Skyline“ („Dekantier die Welt, schenk uns reinen Wein ein…“) haben dann aber wieder jenen lebendigen Geist, mit dem Trettmann eigentlich von Anfang an mit den Beats von Kitschkrieg auf die Bühne gegangen ist. Als es schon fast reicht, dass „Billie Holiday“ als Video lief. Kunstvoll spielt Trettmann danach mit seinem eigenen Material. Ununterbrochen mehr als gute Stimmung in der Hip-Hop-Hochburg Stuttgart. Schöner Abend.