Die Stuttgarter Tri-Bühne nähert sich der „Doppelnatur“ des Universalgenies Leonardi da Vinci und setzt dabei auch auf Puppen und Videos.

Stuttgart - Wenn er wenigstens auch einmal ein Werk vollenden würde, nicht so sprunghaft wäre, sich nicht dauernd von der Malerei an die Konstruktion eines Fluggeräts und wieder zurück machen würde. Cesare hat viel auszusetzen an seinem Meister Leonardo da Vinci. Und auch die anderen Schüler in der Werkstatt können dem Universalgenie, das die Schönheit in Dreiecke aufteilen und berechnen will, nicht immer folgen. Ist Leonardo (sehr gefühlig: Peter Kaghanovitch) jetzt ein sanftmütiges Genie, das alles weiß und alles sieht oder ein sich maßlos überschätzender Ketzer, der skrupellose Antichrist in Person? Zwischen abgöttischer Bewunderung und selbstmörderischen Zweifeln schwankt die Einschätzung und das wendige Ensemble im Theater Tri-Bühne wechselt in „Leonardo – Doppelnatur“ oft die Rollen, um im Disput mit Herzog, Papst, König und Schülern einen Reflexionsrahmen zu spannen.

 

Altmeisterliche Lichtgebung

Anja Panse hat den Text geschrieben und das Stück inszeniert, das über weite Strecken einem Historiengemälde mit stimmigen Kostümen und altmeisterlicher Lichtgebung gleicht. Wenn die Figuren wie in einem Tableau am Tisch festfrieren, dann ist das sehr schön anzuschauen, da fehlt nur noch der Goldrahmen drumrum. Aber ein wenig fad wäre es auf Dauer auch.

Panse hat sich für ihre Beschäftigung mit Leonardo in dem Roman bedient, den der Russe Dmitri Mereschkowksi 1901 über den Universalgelehrten geschrieben hat. Das Buch hat seinerzeit Furore und auch auf Sigmund Freud Eindruck gemacht. Der Vater der Psychoanalyse taucht in Panses Inszenierung als Pappkamerad auf, den Franziska Sophie Schneider mit einem ausgeschnittenen Porträtfoto vor dem Gesicht spielt und ihn Seifenblasen aus der Pfeife blubbern lässt, als er sich den Fall Leonardo vornimmt.

Das teuerste Bild aller Zeiten

Puppen sind überhaupt immer wieder im Spiel: Sehr anrührend, wenn der Schüler Jacopo als Kind gezeigt wird, etwas platt, wenn zwei Rüstungsindustrielle sich auf schwäbisch über ihre Geschäfte unterhalten und der eine schier platzt vor Neid, weil der andere sich schon wieder eine Jacht rauslässt. Das wirkt weit hergeholt, ist aber im Text verankert: Schließlich hat auch der geniale Ingenieur Leonardo Waffen konstruiert und sie ohne Skrupel an die Mächtigen übergeben. Wie teuer Leonardo den Heutigen geworden ist, zeigt Panse via Videoeinspielung: für 400 Millionen Euro wurde „Salvatore Mundi“ bei Christie’s versteigert, als teuerstes Bild aller Zeiten.

Leonardo stirbt als Unvollendeter, von Selbstzweifeln zermürbt, von seinen Getreuen verlassen. Oder doch nicht? Das Schlussbild, das sich Anja Panse ausgedacht hat, fiel bei der Premiere aus: Zuviel Nebelgewaber hat erst die Rauchmelder, dann die Feuerwehr alarmiert und die Vorstellung fünf Minuten zu früh beendet. Vermaledeite Technik.

Aufführungstermine: 21. 22., 28., 29. Februar