An Schlaglöcher haben sich Deutschlands Autofahrer gewöhnt, aber das Loch auf der A20 bei Tribsees in Mecklenburg-Vorpommern sprengt alle Dimensionen. Wer ist schuld? Wie konnte es so weit kommen?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Tribsees - Das Loch auf der Autobahn 20 bei Tribsees in Mecklenburg-Vorpommern wird immer größer. Anfangs sank der Trebeltaldamm nur ein paar Zentimeter. Das war im Frühjahr 2017. Die Experten des Landesverkehrsamts von Mecklenburg-Vorpommern machten sich damals keine allzu großen Sorgen. Schließlich war man an Pannen auf der mit 345 Kilometern längsten Neubaustrecke im deutschen Autobahnnetz gewöhnt.

 

Doch im vergangenen September nahm der Vorgang bedrohliche Dimensionen an, als ein 40 Meter langer Abschnitt der Ostsee-Autobahn nur wenige Meter hinter der Trebeltalbrücke um einen halben Meter absackte. In den vergangenen Tagen verschärfte sich die Lage nochmals. Das 40 Meter lange und zehn Meter breite Loch erweiterte sich auf rund 100 Meter Länge, berichtet das Verkehrsministerium in Schwerin.

Planungsfirma nimmt Stellung

So viel steht fest: Das Problem wird durch den torfhaltigen Untergrund verursacht. Der Abschnitt galt schon beim Bau als besonders schwierig. An die Brücke schließt sich ein rund 100 Meter langer Damm an, der auf einer bis zu 20 Meter tiefen Torflinse steht. Man habe versucht mit Hilfe von kleinen Betonkernen die Lage zu stabilisieren. Möglicherweise haben diese Kerne der Last nicht länger standgehalten, heißt es.

Spezielles Bauverfahren am Trebeltaldamm

Über die A 20 rollt ein Großteil des Verkehrs in die Urlaubsgebiete an der Ostsee. Das Riesenloch auf der Autobahn bereitet den Tourismusmanagern im Osten Mecklenburg-Vorpommerns große Sorgen. Sie befürchten, dass sich Gäste von einem Besuch der Ostsee-Inseln Usedom oder Rügen abhalten lassen, wenn größere Staus an der Ausleitung entstehen sollten.

Verantwortlich für Planung und Bau der A 20 war die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, kurz Deges. Auf Anfrage teilte die Deges in einer ausführlichen Stellungnahme mit, dass erst das im vergangenen August von der Landesregierung in Auftrag gegebene Baugrundgutachten endgültig Aufschluss über die Ursachen geben könne. „Alles andere wäre Spekulation“, sagte ein Deges-Sprecher.

Seit Ende Oktober 2017 ist die A 20 an der Anschlussstelle Tribsees in beiden Richtungen gesperrt. Laut Straßenbauamt war die Sicherheit nicht mehr zu gewährleisten. Was genau im Boden geschehen ist, sei weiter unklar, heißt es. Spekuliert wird über die Verwendung zu schwacher Stützen, nicht überprüfter Techniken oder Fehlkalkulationen.

Pfusch am Bau?

Bei der 2600-Einwohner-Gemeinde Triebsees im Süden des Landkreises Vorpommern-Rügen quert der Autobahndamm das Trebeltal. Hier liegt auf einer Talwasserscheide das Grenztalmoor – auch Rauhes Moor genannt. Mitte des 18. Jahrhunderts begann man damit, den Torfboden mithilfe von Kanälen zu entwässern.

Laut Deges wurde für den Bauabschnitt erstmals ein spezielles Bauverfahren für sandigen und feuchten Untergrund angewandt. Bei diesem sogenannten CSV-Verfahren werden spezielle Trockenmörtelsäulen oder kunststoffummantelte Sandsäulen in den Bauuntergrund eingebracht. Dabei handele es sich nicht um Stahlbeton, sondern um ein Sand-Zement-Gemisch, das „durch Erdfeuchte und Grundwasser abbindet und zu einer verfestigten Säule erstarrt“. Die „Gründungen auf pfahlartigen Tragelementen“ seien von einem Gutachter empfohlen, „im Einsatzgebiet erprobt und Probebelastungen durchgeführt“ worden, heißt es.

Der Schweriner Umweltminister Till Backhaus wies Spekulationen zurück, wonach die Renaturierungsmaßnahmen an der Trebel in den Jahren 1995 bis 2001 das Absacken der Fahrbahn verursacht haben könnten. Damals waren im Zuge der Renaturierung der Trebel-Region Schöpfwerke ab- und Deiche zurückgebaut worden, um den Wasserstand im Flusstalmoor anzuheben.

Neue Moorbrücke im Gespräch

Man vermutet, dass tragende Betonpfähle in der bis zu 25 Meter starken Torfschicht gebrochen sein könnten. „Dann müssten wir eine ganz neue Moorbrücke in der Tiefe bauen“, erklärt Roland Normann vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr. Dazu würden neue Bohrpfähle und Betonschichten benötigt.

Im Herbst soll mit der Sanierung des Trebeltaldammes begonnen werden. Die Kosten werden auf rund 15 Millionen Euro geschätzt. Landesverkehrsminister Christian Pegel geht davon aus, dass dieser Abschnitt der der A20 bis 2021 saniert sein wird.

Info: Die A20

Verkehrsader

Die ab 1992 gebaute A20 ist mit 345 Kilometern der längste deutsche Autobahnneubau seit 1945 und gilt als Hauptverkehrsader im Nordosten. Weitere 196 Kilometer sind in Planung.

Die A20 führt von Bad Segeberg in Schleswig-Holstein bis zum Autobahndreieck Kreuz Uckermark in Mecklenburg-Vorpommern. 2003 war das Teilstück bei Tribsees für den Verkehr freigegeben worden.

Pannen-Autobahn

Es ist nicht das erste Mal, dass die als „Pannen-Autobahn“ verspottete Schnellstraße für Schlagzeilen gesorgt hat: Das 14 Kilometer lange Teilstück zwischen Schönberg und der schleswig-holsteinischen Landesgrenze wurde mit sogenanntem Brüllbeton versehen. Dieser führt zu erhöhten Fahrgeräuschen.

2005 wurde der Beton mit einer neuen Asphaltdecke überzogen. Im heißen Juli 2006 warf der neue Fahrbahnbelag dann bis zu 30 Zentimeter große Blasen, die auf Wassereinschlüsse zwischen Beton und Asphalt zurückgeführt wurden.

Heftige Regenfälle führten an einer anderen Stelle der Autobahn zu einem Böschungsabrutsch, während es an der 1111 Meter langen Peenetalbrücke zwischen den Autobahnanschlüssen Gützkow und Jarmen bei den Fahrbahnübergängen holperte.