Budenzauber im Revier: Fast 200 Kioske im Ruhrgebiet zeigen am Tag der Trinkhallen, dass sie mehr drauf haben als süße Tüte, Bier oder H-Milch. Doch die soziokulturelle Institution im „Ruhrpott“ stirbt langsam aus.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Dortmund/Stuttgart - Kioske gibt es in Deutschland immer weniger. Rund 2000 sind nach Schätzungen des Handelsverbandes Deutschland (HDE) in den vergangenen zehn Jahren verschwunden. Heute gibt es demnach noch rund 23 500 kleine Kioske, Trinkhallen, Büdchen oder Wasserhäuschen, in denen Zigaretten, Getränke oder Süßigkeiten gekauft werden können. Der Umsatz liege bei geschätzten 7,5 Milliarden Euro, sagte Olaf Roik vom HDE.

 

Als Kiosk-Hochburgen gelten Berlin, Hessen sowie Nordrhein-Westfalen – und dort vor allem das Ruhrgebiet („Ruhrpott“). Das Geschäft steht mit Tankstellen, Bahnhöfen oder den länger geöffneten Supermärkten in harter Konkurrenz.

Kiosk – wichtiger Treffpunkt in der Nachbarschaft

„N’Pilsken anne Bude nach’e Maloche“ (auf hochdeutsch: Ein Bier am Kiosk nach der Arbeit). Die kleinen Läden sind für viele mehr als nur ein Ort für ein Bier oder den schnellen Kaffee.

„Kioske haben eine emotionale Komponente. Man trifft dort Nachbarn und Freunde und spricht über die Ereignisse in der Nachbarschaft“, sagt Dirk Stürmer vom Dortmunder Kioskclub. „Der Kunde wird dort persönlich betreut. Das gibt es in den größeren Supermärkten nicht.“

Tag der Trinkhallen

Um die kulturelle Bedeutung der Kioske zu feiern, gibt es an diesem Samstag (25. August) zum zweiten Mal einen Tag der Trinkhallen im Ruhrgebiet. Knapp 200 sogenannte Büdchen beteiligen sich mit eigenen Programmen an dem Event, das 2016 zum ersten Mal veranstaltet wurde.

„Die Bude um die Ecke hat im Ruhrgebiet eine große Bedeutung. Sie ist für viele Menschen ein Stück Heimat“, sagte der stellvertretende Regionaldirektor Markus Schlüter vom Regionalverband Ruhr. Mit dem Tag der Trinkhallen feiere man die Bude als „Begegnungsort der Kulturen“.

Geschichte des Büdchen

Die Büdchen kamen während der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts in Ballungsräumen in Mode. Unternehmer versuchten, die Arbeiter an den Trinkhallen mit Mineralwasser zu versorgen, um den Alkoholkonsum einzudämmen und die „Volksgesundheit“ zu heben, denn Leitungswasser war damals ungenießbar.

Heute gibt es dem Verein Ruhr-Tourismus zufolge noch rund 8000 Trinkhallen im Ruhrgebiet. „Sie sind nach wie vor lebendiger Ausdruck der Industriekultur, haben einen hohen Stellenwert für die lokale Versorgung sowie eine soziale Funktion in der Nachbarschaft.“