Mehr als 100 Millionen Menschen leben in Regionen, in denen die Brunnen und Quellen mit Arsen vergiftet sein können. Forscher aus Deutschland und der Schweiz haben Methoden entwickelt, um die Betroffenen zu warnen.

Stuttgart - Im Krimi gilt Arsen als perfektes Gift für Mörder: Wer kennt nicht Agatha Christies Debut-Roman „Das fehlende Glied in der Kette“ oder die Kriminalkomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ von Joseph Kesselring, die Julius Epstein zu einem Kinohit verfilmt hat? Weitgehend unbekannt ist dagegen, dass in der realen Welt des 21. Jahrhunderts weit mehr als 100 Millionen Menschen durch Arsen im Trinkwasser gefährdet sein könnten. Luis Rodriguez-Lado von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in Dübendorf bei Zürich und seine Kollegen haben jetzt im Wissenschaftsmagazin „Science“ die Risikogebiete ermittelt.

 

Einige dieser Quellen sind schon lange bekannt. In Bad Dürkheim sprudeln aus der Maxquelle mit jedem Liter Wasser satte 17 Milligramm Arsen-Verbindungen. Das ist das 1700-Fache des Grenzwerts von 10 Mikrogramm pro Liter, den die Weltgesundheitsorganisation WHO für unbedenklich hält. Da bereits 60 bis 170 Milligramm für Menschen als tödliche Dosis gelten, würden zehn Liter den Vergiftungstod bedeuten. Zum Glück lieferte die Maxquelle kein Wasser für den täglichen Gebrauch, sondern sollte einmal als Kurmittel die Bildung von Blut im Körper anregen oder extreme Magersucht bekämpfen. Weil sie nur einige Schlucke aus der Maxquelle tranken, vertrugen Kurpatienten solche hohen Arsen-Konzentrationen durchaus. Aber 1960 hat Bad Dürkheim diese Quelle durch eine andere ersetzt, deren Arsengehalt auch noch mit chemischen Wasserfiltern auf weniger als 10 Mikrogramm Arsen pro Liter verringert werden.

Das Gift wird oft aus dem Gestein ausgewaschen

In Mitteleuropa gibt es einige Regionen, in denen Arsen zum Problem werden kann. Im Erzgebirge hat der Bergbau zum Beispiel tiefe Gesteinsschichten so umgelagert, dass Wasser Arsenverbindungen herauslösen kann. Dort wird der WHO-Grenzwert mancherorts überschritten. Da Trinkwasser in Mitteleuropa aber pingelig genau kontrolliert wird, ist die Angst vor einer Arsenvergiftung aus dem Wasserhahn unbegründet.

Anders sieht die Situation in den Weltregionen aus, in denen Trinkwasser weniger scharf kontrolliert wird. In Rumänien und Ungarn sind Arsen-Verbindungen aus dem Bergbau ein Problem. Auch aus den USA, Chile und Argentinien werden aus einigen Gebieten hohe Grundwasserwerte für das Gift gemeldet. Ein Schwerpunkt aber liegt in Asien: Bangladesh, Thailand und Vietnam kämpfen genauso wie Taiwan, China, die Mongolei und Nepal mit stellenweise viel zu hohen Arsenwerten.

Das Gift stammt dort häufig aus natürlichen geologischen Prozessen. So löst Wasser bisweilen giftige Arsen-Verbindungen aus dem Gestein des Himalaya und trägt es unter bestimmten Bedingungen als Arsenit bis in die tieferen Grundwasserschichten des Flachlands in Bangladesh. In China stammen die Substanzen aus Vulkangestein, das fein zermahlen vor wenigen Jahrtausenden von Flüssen in andere Gegenden verfrachtet und dort abgelagert wurde. Aus diesen Sedimenten wäscht Grundwasser die Arsenverbindungen unter bestimmten Umständen langsam heraus. In den trockenen Gebieten im Norden Chinas oder in Regionen mit problematischem Oberflächenwasser wie Bangladesch holen die Menschen daher häufig vermeintlich sauberes Grundwasser aus tieferen Schichten. In Bangladesch wurden seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1971 mehr als elf Millionen solcher Brunnen gebohrt.

Der eine Brunnen ist vergiftet, der daneben nicht

China hat angesichts seines Arsenproblems bereits 2001 begonnen, seine Trinkwasserquellen unter die Lupe zu nehmen. Insgesamt dürfte es aber mehrere Jahrzehnte dauern, bis alle Brunnen getestet sind. Aus diesem Grund haben Luis Rodriguez-Lado und seine Kollegen am Eawag in China jetzt eine Risikoanalyse ausgearbeitet, die mit Daten aus Bergbau- und Geoforschungseinrichtungen die Arsengefährdung des Grundwassers ermittelt. In den letzten Jahrtausenden abgelagerte Sedimente, bestimmte Salzgehalte, Feuchtewerte und Feinstrukturen im Untergrund erhöhen demnach das Arsenrisiko.

Mit Hilfe dieser Werte fanden die Forscher nicht nur bereits bekannte Problemregionen im Norden Chinas wieder, sondern entdeckten auch bisher nicht bekannte Risikogebiete. „Unser Modell eignet sich natürlich auch für andere Regionen der Erde wie den Südwesten der USA“, erklärt Luis Rodriguez-Lado. Die Behörden der betroffenen Länder könnten ihre aufwendigen Wasseranalysen auf die Gebiete mit dem größten Risiko konzentrieren, empfehlen die Forscher. Da auch nebeneinander liegende Wasserstellen unterschiedliche Arsenwerte haben, sollten zumindest dort alle Quellen untersucht werden.

Für solche Tests entwickeln Hauke Harms und seine Kollegen vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig ein kostengünstiges und einfach zu handhabendes Verfahren, das rasch die Arsen-Konzentration in einem Grundwasserbrunnen oder einer anderen Wasserquelle misst. Als Harms und seine Kollegen in Bangladesch Brunnen testeten, entdeckten sie dort große Unterschiede: Während ein Brunnen mit sechs Mikrogramm Arsen im Liter Wasser den WHO-Grenzwert einhielt, lag eine andere Wasserstelle keine fünfzig Meter entfernt mit 245 Mikrogramm Arsen pro Liter im recht gefährlichen Bereich. „Je tiefer die Brunnen reichten, umso geringer waren die Arsen-Konzentrationen“, fasst Hauke Harms einen Trend zusammen, der sich nach der Analyse von 28 Brunnen zeigte.

Ein Gen der Glühwürmchen lässt die Probe aufleuchten

Bisher sind die chemischen Methoden für solche Untersuchungen relativ teuer. Sie können nur von Fachleuten durchgeführt werden und hinterlassen giftige Rückstände. Erheblich besser scheint sich das mikrobiologische Verfahren zu eignen, das die UFZ-Forscher Hauke Harms und Mona Wells mit Jan-Roelof van der Meer von der Universität Lausanne entwickelt haben. Dabei nutzen die Forscher bestimmte Stämme des Bakteriums Escherichia coli, die in der Natur gelernt haben, Arsen-Verbindungen so umzuwandeln, dass sie ausgeschieden werden können. Die Forscher haben den Bakterien ein Lumineszenz-Gen ins Erbgut eingefügt, mit dessen Hilfe Glühwürmchen leuchten. Je mehr Arsen diese Bakterien nun aufnehmen, umso intensiver strahlen sie Licht aus.

Diese Bakterien bewahren Harms und Wells gefriergetrocknet in kleinen Teströhrchen auf. Gibt man ein wenig Wasser aus einem verdächtigen Brunnen dazu, erwachen die Bakterien aus ihrem Winterschlaf. Nach zwei Stunden arbeiten die Mikroorganismen auf Hochtouren, und der Tester schiebt das Röhrchen in einen Luminometer, der die Größe eines Festnetztelefons hat und in zehn Sekunden die Lichtstärke misst. Das System misst die Konzentration des giftigen Elements genauer als einfache chemische Tests. Und es registriert nur das Arsen, das tatsächlich von Organismen aufgenommen wird und so gefährlich werden kann.

„Ein bis zwei Euro kostet ein Arsentest, wenn wir die Teströhrchen im Labor herstellen“, berichtet Harms. In Zukunft will der Forscher Teststreifen entwickeln, mit denen jeder Dorfbewohner Arsenwerte noch deutlich preiswerter messen kann.

Dosis und Wirkung des Gifts Arsen

Wirkung
Arsen ist für viele Lebewesen giftig, weil ihr Organismus Arsenverbindungen mit dem lebensnotwendigen Phosphat verwechselt. In den Zellen stört Arsen dann den Energiestoffwechsel, Transportvorgänge und die Reparatur des Erbgutes.

Dosis
Erste Vergiftungszeichen sind oft schwarze Färbungen der Haut und krankhaft verdickte Hornhautschichten an Fußsohlen und Handflächen. Das Temperaturempfinden verändert sich, eine kalte Dusche wird zum Beispiel wie ein Übergießen mit siedend heißem Wasser empfunden. Bald werden Leber und Nieren in Mitleidenschaft gezogen, die Leistungsfähigkeit der Betroffenen sinkt erheblich. Nach langer Vergiftung entstehen häufig bösartige Tumore, am Ende sterben die Kranken an den Folgen von Krebs.