Exklusiv Rezzo Schlauch wirbt für Investitionen in der Türkei – im Auftrag einer Agentur, die direkt dem Premier unterstellt ist. Trotz der Turbulenzen um Erdogan will der Grüne das Engagement fortführen: Es helfe er bei der Modernisierung des Landes.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein illustres Trio, das die staatliche türkische Investitionsagentur (Ispat) im März 2012 in Berlin präsentierte. Ein pensionierter Diplomat und zwei Ex-Politiker sollten fortan bei deutschen Unternehmen für ein Engagement in der Türkei trommeln: der frühere Botschafter in Ankara, Wolf-Ruthart Born, der einstige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und der ehemalige Wirtschaftsstaatssekretär Rezzo Schlauch (Grüne). Mit den prominenten Standortwerbern, jubilierte der Ispat-Chef Ilker Ayci, habe man „die richtigen Leute“ verpflichtet.

 

Trotz der boomenden türkischen Wirtschaft, so bedauerte Schlauch, seien deutsche Firmen dort noch unterrepräsentiert. Dabei spreche viel für Investitionen in dem Land am Bosporus: die guten Beziehungen zu Deutschland, der große Markt mit 70 Millionen Menschen oder der erleichterte Zugang zum Mittleren Osten und nach Nordafrika. Als „Senior Advisor“ stelle er gerne Kontakte her und helfe bei der Ansiedlung. Selten vergaß der 66-Jährige zu erwähnen, dass die Standortwerber dem Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan „direkt unterstellt“ seien – das unterstrich schließlich die Bedeutung seiner Mission.

Ole von Beust verteidigt Erdogan

Damals, vor zwei Jahren, konnte man mit Erdogan noch renommieren: Er galt als Modernisierer der Türkei und Vater des Wirtschaftswunders. Inzwischen hat der Premier zunehmend despotische Züge entwickelt, rüttelt an der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz, wofür ihn unlängst sogar Bundespräsident Joachim Gauck tadelte. Da werden die deutschen Standortwerber natürlich gefragt, was sie vom Kurs des Ministerpräsidenten und der breiten Kritik an ihm halten.

Antworten gab es bisher nur von Ole von Beust. Gegenüber der „Welt am Sonntag“ verteidigte der Ex-Bürgermeister im April seinen Auftraggeber: Die Türken seien mit Erdogan „bisher ganz gut gefahren“, dessen martialische Rhetorik dürfe man nicht überbewerten; derlei sei im türkischen Wahlkampf üblich. Seinen Einsatz für die Investitionsagentur hielt von Beust daher für unproblematisch. Die „rote Linie“ wäre für ihn erst erreicht, wenn die „Rechtssicherheit und grundsätzliche Unabhängigkeit der Gerichte“ in der Türkei nicht mehr garantiert wären – wofür es keine Anzeichen gebe.

Wirtschaft als Antrieb der Modernisierung

Rezzo Schlauch aber schwieg zu allen Anfragen. Nun äußert er sich erstmals gegenüber der Stuttgarter Zeitung – wenn auch eingeschränkt. Zu Erdogan selbst wolle er öffentlich nichts sagen: „Die Beurteilung überlasse ich, nachdem ich seit nunmehr fast zehn Jahren die aktive Politik hinter mir gelassen habe, der Politik- und Medienöffentlichkeit“. Seine Position dazu vertrete er intern. Sein Engagement bei Ispat, so der Ex-Staatssekretär, stelle er jedenfalls „nicht in Frage“. Es sei rein „wirtschaftlicher Natur“, und die Wirtschaft – gerade auch die 5000 in der Türkei aktiven deutschen Firmen - trage „entscheidend mit zur Modernisierung des Landes bei“. Diese sei inzwischen „auch in der Gesellschaft so weit fortgeschritten, dass sie unumkehrbar ist“. „Ich finde es nach wie vor eine spannende Aufgabe, mit meinem Engagement diese Entwicklung zu unterstützen“, sagt Schlauch. „Eine rote Linie hierfür ist für mich nicht erkennbar“. Von den innenpolitischen Turbulenzen ließen sich auch die deutschen Firmen nicht irritieren: Bisher seien „keine Folgen spürbar“, die Bereitschaft, sich in der Türkei zu engagieren, sei ungeschmälert.

Auf die von einer Zeitung erhobenen Korruptionsvorwürfe gegen die Staatsagentur gibt der Rechtsanwalt Schlauch wenig: Nach allem, was er wisse, handele es sich „um eine unzutreffenden Behauptung im Meinungskampf“; dieser werde in der Türkei „mit ungleich härteren Bandagen ausgetragen“ als in Deutschland. Die Ispat mit ihren 120 hoch qualifizierten, meist international ausgebildeten jüngeren Mitarbeitern achte sehr darauf, „dass korruptive Konstellationen ausgeschaltet werden“.

„Negative Stimmen helfen nicht weiter“

Anders als etliche deutsche Politiker - etwa der Chef der Südwest-CDU, Thomas Strobl, hat Schlauch auch nichts gegen den geplanten Auftritt Erdogans an diesem Samstag in Köln. Die Bundesregierung habe ihn bekanntlich willkommen geheißen, alles andere wäre „abwegig“ angesichts der freundschaftlichen deutsch-türkischen Beziehungen und der großen türkischstämmigen Bevölkerung. Das Fazit des Grünen: „Die negativen Stimmen aus der Politik zu diesem Besuch gehören in Deutschland zum öffentlichen Diskurs, helfen aber in der Sache nicht weiter.“