Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat gegen Frankreich 1:2 verloren – dennoch gab es Signale, die in die richtige Richtung deuten. Die hat auch der DFB-Präsident gesehen.

Sport: Marco Seliger (sem)

Paris - Als am Dienstagabend im Stade de France der Schlusspfiff ertönt, das enttäuschte deutsche Team vom Platz getrottet und der Weltmeister von den eigenen Fans gefeiert worden war, fiel die rein faktenorientierte Bilanz ernüchternd aus. Wieder kein Sieg, wieder ein Spiel verloren (1:2) – und: den Verbleib in der Top-Etage der Nations League hat die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nun nicht mehr in der eigenen Hand. Doch das war nur die eine Sicht der Dinge. Die andere klang in etwa so:

 

Ein feiner Pass von Joshua Kimmich, 23, auf Leroy Sané, 22. Ein Sprint, ein Pass auf Timo Werner, 22, der den Ball zwar verpasst, aber weiß: Es kommen weitere Spielzüge wie dieser. Entstehend in einer Abwehr mit Niklas Süle, 23, und Matthias Ginter, 24. Vielleicht über rechts und Thilo Kehrer, 22, vielleicht durch das Zentrum über Serge Gnabry, 23. Sieben Spieler, die 24 Jahre alt oder jünger sind – und die am Dienstag ein ganz anderes Bild boten, als es die deutsche Mannschaft noch am vergangenen Samstag getan hatte. Da hatte sie 0:3 gegen die Niederlande verloren. Aber nicht nur das.

Das nach dem WM-Aus nur zögerlich neu gefasste Vertrauen in den Bundestrainer und seinen Willen zur Veränderung hatte schwer gelitten unter dem Auftritt in Amsterdam – und Viele fragten bereits: Ist Joachim Löw noch der Richtige, wenn es auch gegen den Weltmeister schief geht? Oder besser: Wenn er wieder auf seine zuhauf formschwachen Routiniers setzt statt den ausgerufenen Neuanfang konsequenter zu gestalten. Löw wirkte enttäuscht, ernüchtert, angespannt – aber er reagierte. Erst mit zur Schau gestellter Selbstsicherheit. Und dann – viel wichtiger: mit einem Kurswechsel.

Fünf Änderungen gegenüber dem 0:3 in Amsterdam

Auf fünf Positionen hatte er sein Team verändert vor der wichtigen Partie in Paris. Jérôme Boateng fehlte, Thomas Müller musste auf die Bank, ebenso saßen Emre Can, Mark Uth und Jonas Hector draußen. Stattdessen auf dem Platz: viele einst hoch gelobte Talente, denen Löw zuletzt noch attestierte, sie würden noch Zeit benötigen. Doch am Dienstag rechtfertigten sie in weiten Teilen das neue Vertrauen ihres Trainers.

Natürlich, es hat nicht alles funktioniert gegen den fast ausschließlich mit internationalen Topstars besetzten Weltmeister. Was es aber vom Anpfiff weg zu sehen gab: große Einsatzbereitschaft, volle Konzentration, taktisches Geschick – und vor allem: jede Menge Geschwindigkeit. „Wir haben das Herz in die Hand genommen, sind für eine gute Leistung aber nicht belohnt worden“, lobte Löw, der sein Team „auf Augenhöhe“ mit dem Weltmeister sah. „Der Plan des Trainerteams ist aufgegangen“, sagte Kapitän Manuel Neuer, „wir haben von Anfang an sehr mutig gespielt.“ Nicht immer, das deutsche Team spielte durchaus besonnen und war darauf bedacht, den schnellen Franzosen um Kylian Mbappé keinen Raum für Konter zu geben. In den entscheidenden Momenten ging es dann aber ganz schnell.

Wie in der 13. Minute, als Gnabry Sané auf die Reise schickte. Der frühere Schalker sprintete, flankte nach innen und traf den Arm von Presnel Kimpembe. Es gab Elfmeter. Toni Kroos traf. 1:0. Ein Tor. Eine Bestätigung. Zumal das Team weiter recht stabil verteidigte – und mutig nach vorne spielte. Zunächst auch dann noch, als die Franzosen nach der Pause den Druck erhöhten.

Klare Worte des DFB-Präsidenten

Der Weltmeister attackierte nun früher, agierte konsequenter, und die bangen Momente mehrten sich. In der 52. Minute parierte Neuer noch stark gegen Mbappé, zehn Minuten später aber war er machtlos. Thilo Kehrer hatte Lucas Hernández nicht entscheidend gestört, der französische Außenverteidiger flankte – und in der Mitte traf Antoine Griezmann den Ball per Kopf, wie man ihn besser kaum treffen kann. 1:1, ein Rückschlag – aber kein Ereignis, das das deutsche Team auseinanderbrechen ließ. Die Mannschaft suchte weiter ihre Chancen, und nicht wenige im Stade de France bescheinigten der Truppe, zumindest diesen Punktgewinn verdient zu haben. Doch dieses Erfolgserlebnis war dem Team nicht vergönnt.

Nach einem Tackling von Mats Hummels im Strafraum entschied Schiedsrichter Milorad Mazic auf Elfmeter. Das war höchst umstritten, scherte Griezmann aber nicht weiter. Der Topstar traf zum 2:1 für den Weltmeister – dem nun das deutsche Team alles Gute wünscht für das Duell mit den Niederlanden.

Denn nur, wenn die Franzosen auch die Holländer bezwingen, hat die DFB-Auswahl im Duell mit den Niederlanden am 19. November noch die Chance, den Abstieg zu verhindern. Dies, wie gesagt, ist der bittere Teil der Nach-WM-Zwischenbilanz. „Es ist sehr enttäuschend“, sagte Manuel Neuer. Ein wenig Hoffnung und Zuversicht ist am Dienstagabend dennoch zurückgekehrt. Auch beim DFB-Präsidenten.

„Ich finde, dass wir ein Stück Umbruch gesehen haben, das Zuversicht schafft für die Zukunft“, sagte Reinhard Grindel und ergänzte: „Was die junge Mannschaft gezeigt hat, darauf lässt sich aufbauen.“ Löw („Wir dürfen den Glauben an die eigene Stärke nicht verlieren“) wird das gerne hören – darf es aber auch als Auftrag verstehen.