Der Saisonabbruch der Handball-Bundesliga rettet die Clubs vorerst in den Sommer – was danach kommt, wagt niemand zu prognostizieren.

Stuttgart - Überraschend ist es nicht mehr gekommen, und seit Dienstagmittag nun offiziell: Die Handball-Bundesliga-Saison ist abgebrochen. Meister ist der THW Kiel, Vizemeister und ebenfalls für die Champions League qualifiziert ist die SG Flensburg-Handewitt, Aufsteiger sind der HSC Coburg sowie Tusem Essen, auf Absteiger wird verzichtet, womit in der kommenden Saison 20 Teams in der ersten Bundesliga vertreten sein werden. Als Berechnungsgrundlage für die Abschlusstabellen dient die vom Deutschen Handball-Bund (DHB) empfohlene Quotientenregel, bei der die Anzahl der Spiele durch die Anzahl der Punkte der seit März eingefrorenen Tabelle geteilt und anschließend mit 100 multipliziert wird.

 

Rhein-Neckar Löwen profitieren

Klingt komplizierter als es ist. Zudem sind die Auswirkungen auf die Abschlusstabelle gering, wenngleich sich die Rhein-Neckar Löwen dank dieser Regelung auf den fünften Platz an den Füchsen Berlin vorbei schieben und damit als letzter Club für die European Handball League in der kommenden Saison qualifiziert sind. „Wir werden auf keinen Fall Protest einlegen. Es gibt keine gerechten Lösungen in dieser Situation. Dass es uns trifft, müssen wir sportlich akzeptieren“, sagte Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning, der im Vorfeld für eine Fortsetzung der Saison mit Geisterspielen geworben hatte.

Da man bei den Füchsen aber offenbar davon ausgeht, mit einer Wildcard seitens des Europäischen Handballverbandes ausgestattet zu werden, dürfte diese vermeintliche Ungerechtigkeit in der kommenden Saison keine Rolle spielen.

Württembergische Vertreter begrüßen Entscheidung

Die württembergischen Erstliga-Vertreter stehen der von Liga-Präsident Uwe Schwenker als „sehr bitter, aber alternativlos“ eingestuften Entscheidung positiv gegenüber. „Es ist natürlich sehr schade, dass wir die Saison nicht sportlich zu Ende spielen können“, sagte Jürgen Schweikardt, Trainer und Geschäftsführer vom TVB Stuttgart und betont: „In außergewöhnlichen Zeiten müssen außergewöhnliche Entscheidungen getroffen werden.“ Daher bewerte er die Entscheidung der Handball-Bundesliga (HBL) und ihrer Clubs als „richtig und konsequent“. Bereits im Vorfeld hatte Gerd Hofele, Geschäftsführer bei Frisch Auf Göppingen und Vizepräsident Finanzen der HBL, ebenso für einen Abbruch der Saison geworben wie sein Balinger Kollege Wolfgang Strobl. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann sagte am Dienstag, dass die für den Saisonabbruch erforderliche Dreiviertelmehrheit „deutlich überschritten“ wurde.

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Der Profi-Handball habe schlicht nicht die Ressourcen, ein Maßnahmen-Paket zu schnüren, das den Anforderungen während der Corona-Pandemie gerecht würde, sagte Schweikardt. Zudem lohnen sich Geisterspiele für die Clubs nicht, weil die TV-Gelder sehr viel geringer sind als beispielsweise im Fußball und die Handballer einen Großteil ihres Etats über Zuschauer- und Sponsoring-Einnahmen abdecken. Außerdem hatten viele Clubs Kurzarbeit beantragt, was im Falle einer Saison-Fortsetzung hinfällig gewesen wäre.

„Es gibt derzeit einfach wichtigere Dinge als Handball“

Einen Verlierer des Abbruchs gibt es aber im Südwesten: den letztjährigen Bundesliga-Absteiger SG BBM Bietigheim. Nach einem durchwachsenen Saisonstart überzeugte die Mannschaft um Cheftrainer Hannes Jon Jonsson vor der Zwangspause und stand nur noch zwei Punkte hinter dem Tabellenzweiten und künftigen Erstligisten Tusem Essen. „Wir konnten uns auf die Situation vorbereiten“, sagte SG-Geschäftsführer Bastian Spahlinger. Zwar sei die HBL-Entscheidung „sehr bitter“ für seinen Club, Spahlinger betonte aber auch: „Es gibt derzeit einfach wichtigere Dinge als Handball, denen wir uns zu beugen haben.“ Für ihn gelte es nun, die Weichen für die kommende Saison zu stellen und „die Zukunft positiv zu gestalten“. Im SG-Kader herrscht weitestgehend Klarheit, einzig der Verbleib von Weltmeister Michael „Mimi“ Kraus (36) sei weiter offen.

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Für die HBL stellt sich die Frage, wie und wann es in der kommenden Saison weitergehen soll. Klar ist bisher nur, dass es vier Absteiger aus der ersten Liga geben wird und der Saisonstart für Anfang September vorgesehen ist. „Wir müssen uns aber auch auf andere Szenarien vorbereiten“, sagte Bohmann und prophezeite schwere Zeiten: „Die Krisenmanagement-Qualitäten müssen nach vorne gestellt werden. Jeder muss den Kopf über Wasser halten und die nächste Saison überleben. Existenziell entscheidend wird es nun sein, wann wir wieder in unseren Arenen vor Zuschauern spielen können.“

Fortbestand der Clubs bis in den Sommer gerettet

Ob dies in diesem Jahr überhaupt noch der Fall sein kann, wagen weder Wissenschaft noch Politik zu prognostizieren. Frisch Auf Göppingen verkündete daher am Dienstag, dass man mit Sponsoren und Förderern sprechen wolle, „um gemeinsam nach Lösungen zu suchen“. Hofele und Co. hoffen darauf, dass Dauerkartenbesitzer auf ihre Regressansprüche ob der ausgefallenen Heimspiele verzichten. Der TVB wird am Mittwoch in einer virtuellen Pressekonferenz mitteilen, wie sich die Stuttgarter die kommende Saison vorstellen.

SC Magdeburg-Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt sagte: „Mit dem Abbruchszenario kann ein Fortbestand aller Bundesligaclubs zumindest bis in den Sommer ermöglicht werden.“ Was danach kommt, wagt noch niemand zu sagen. Der Pleitegeier kreist also weiter über dem Profi-Handball.