US-Präsident Donald Trump kann nicht mit Kanzlerin Merkel, aber das ist nicht der einzige Grund für die Distanz zur Bundesrepublik. Dass er deutsche Vorfahren hat, unterschlug er lange.

Washington - Mike Pence besitzt das Talent, mit sonorem Bass Reden zu halten, die mindestens so ernst klingen, wie sie gemeint sind. Er kann das, er war mal Radiotalker, Moderator der „Mike Pence Show“, eines zutiefst konservativen Programms. Er beherrscht den Part des strengen Oberlehrers, der einen aufsässigen Schüler zur Ordnung ruft. Es klang dann auch nach einer veritablen Gardinenpredigt, als der amerikanische Vizepräsident der deutschen Bundesregierung wieder einmal die Leviten las. Anfang April war das, auf einer Tagung mit dem Titel „Nato Engages“, die ein Treffen der Außenminister der Nato-Länder im State Department flankierte.

 

Es sprach Bände über das aktuelle Gesprächsklima zwischen Washington und Berlin. „Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn sich unsere Verbündeten von Russland abhängig machen“, donnerte Pence. Wenn Deutschland darauf bestehe, die Nord-Stream-2-Pipeline durch die Ostsee zu bauen, dann könnte dies die deutsche Wirtschaft buchstäblich in einen Gefangenen Russlands verwandeln. Von der Tonlage her hörte es sich an, als lese Donald Trumps Stellvertreter aus einem Erpresserbrief vor. Als stelle er ein Ultimatum.

„Sogenannte Verbündete“

Dass die Amerikaner das Pipeline-Projekt ablehnen, ist nicht neu, und es geht auch nicht auf die Regierung Trump zurück. Schon Barack Obama war dagegen, und auch Obama ermahnte die Deutschen, mehr für ihre Verteidigung auszugeben. Was Trump von seinem Vorgänger unterscheidet, ist die Bereitschaft, öffentlich auszuteilen, auf eine Weise, wie man es unter Alliierten bis dahin nicht kannte, vielleicht einmal abgesehen vom Zerwürfnis während des Irakkrieges. Deutschland hat er dabei zentral ins Visier genommen, in seinen Augen ein Land, das sicherheitspolitisch auf dem Trittbrett mitfährt und andere die Lasten schultern lässt, während es enorme Exportüberschüsse erwirtschaftet.

Rede Trump über „sogenannte“ Verbündete, meine er Deutschland, dozierte Ivo Daalder, ein ehemaliger Nato-Botschafter der USA, vor Wochen in der Zeitschrift „The New Yorker“. Rede er über die EU, habe er die Bundesrepublik im Sinn. Der Mann sei fast schon besessen von Deutschland, er hege offenbar eine tiefe Abneigung gegen das Land im Allgemeinen und gegen Angela Merkel im Besonderen, zitierte das Blatt namentlich nicht genannte Berliner Regierungsbeamte. Dass Trumps Vorfahren väterlicherseits aus Deutschland stammen, hat er lange unterschlagen. In „The Art of the Deal“, seiner 1987 erschienenen Business-Fibel, verlegte er deren Herkunft kurzerhand nach Schweden, wie schon sein Vater Fred es getan hatte.

Wenigstens zwei Bonbons

Das Fernduell gegen Merkel, es begann im Jahr vor seinem Wahlsieg, als Deutschland rund eine Million Flüchtlinge aufnahm und der New Yorker Immobilienmagnat den Untergang des Abendlandes beschwor. Das Magazin „Time“ kürte Merkel 2015 zur Person des Jahres, wobei sie sie im Überschwang die „Kanzlerin der freien Welt“ nannte. Er habe es immer gewusst, einen wie ihn würde „Time“ niemals zur Person des Jahres ausrufen, beschwerte sich Trump: „Dafür haben sie sich die Person herausgesucht, die Deutschland ruiniert.“ Was die Frau aus ihrem Land mache, wetterte er auf Wahlkampfbühnen, sei eine Schande.

Später, als der Franzose Emmanuel Macron eine schulterklopfende Männerfreundschaft mit ihm zelebrierte, für kurze Zeit und weitgehend ergebnislos, wie man heute weiß, lieferte Merkel bei ihren vergleichsweise kurzen Besuchen im Weißen Haus das Kontrastprogramm. Nüchterne Sachlichkeit. Wenigstens verbiege sie sich nicht und gehe Trump nicht um den Bart, zogen deutsche Diplomaten ein ebenso nüchternes Fazit. Im Juni vergangenen Jahres, bei einem G-7-Gipfel in Kanada, warf ihr der Amerikaner nach harten Verhandlungen zwei Bonbons auf den Tisch, bevor er den Raum verließ. „Hier, Angela! Sag nicht, dass ich dir nie etwas schenke“, zitierten ihn Leute, die dabei waren. Es wurde schnell zur Metapher für eine angestrengte Arbeitsbeziehung. Dass aus der Kühle noch so etwas wie Nähe werden könnte, hält man zumindest in Washington für ausgeschlossen.