Da die Corona-Zahlen hoch bleiben, fordern einige Politiker einen größeren Beitrag der Wirtschaft zur Eindämmung der Pandemie. Auch Betriebsschließungen sind kein Tabu.

Stuttgart - Führende Unternehmen in Baden-Württemberg stemmen sich gegen weitere Einschränkungen der Wirtschaft zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Hintergrund ist die Sorge, dass sich die Politik bei einem weiteren Anstieg der Neuinfektionen und Totenzahlen zu noch radikaleren Schritten gezwungen sehen könnte.

 

Der Personalchef des Ditzinger Industrielaser-Spezialisten Trumpf, Oliver Maassen, sagte unserer Zeitung: „Trumpf etwa ist ein Produktionsbetrieb mit einem hohen Anteil der Belegschaft etwa in Fertigung, Montage oder Services.“ Seit Sommer gebe es erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung. Der Erfolg könnte durch erneute Einschränkungen verspielt werden, da die Produktionsmitarbeiter nicht ins Homeoffice verbannt werden können. „Grundsätzlich warnen wir angesichts der pauschalen Forderungen an die Wirtschaft hinsichtlich Homeoffice oder Reduktion des Geschäftsbetriebs darum vor den wirtschaftlichen Folgen nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern den gesamten Standort Deutschland.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderministerpräsidenten planen bereits für den kommenden Dienstag ein weiteres Krisentreffen – ursprünglich sollte dies erst am 25. Januar stattfinden. Es ist damit zu rechnen, dass bei der Videoschalte weitere Einschränkungen beschlossen werden.

Daimler-Personalvorstand Porth: Keine Hinweise auf Betriebe als Infektionstreiber

Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth sagte, es gebe keine Hinweise, dass der Betrieb ein Infektionstreiber sei. „Die Infektionszahlen an unseren Standorten lagen und liegen unter den Inzidenzwerten der Stadt- und Landkreise.“ Dies liege an umfassenden Hygiene- und Reinigungsstandards sowie Regelungen zum Verhalten am Arbeitsplatz. „Mit unserem digitalisierten, internationalen Meldeprozess können wir zudem Covid-19-Fälle intern schnell erfassen und nachverfolgen.“ Zudem arbeiteten bei Daimler seit Frühjahr im Schnitt zwei Drittel der Beschäftigten in der Verwaltung mobil.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appellierte am Freitag gemeinsam mit den Sozialpartnern an Arbeitgeber und Beschäftigte, zur Pandemieeindämmung noch stärker als bisher die Möglichkeiten des Homeoffice zu nutzen. In Teilen der Politik gilt selbst eine Schließung von Betrieben nicht mehr als Tabu, falls die Pandemie hierzulande vollends außer Kontrolle geraten sollte. „Möglicherweise müssten wir sogar an die Industrieproduktion heran“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Um das abzuwenden, sollte eine Homeoffice-Pflicht eingeführt werden.

Würth-Chef Friedmann: „Wenn man alles schließt, wird das Chaos noch größer“

Der Daimler-Gesamtbetriebsratschef, Michael Brecht, sagte: „Ein kompletter Stillstand wäre eine Gefahr auch für den sozialen Frieden in Deutschland.“ Für Industrieunternehmen seien stehende Bänder natürlich ein Schreckensbild. Produktionsausfälle verursachten hohe Kosten. „Das ist in jedem Fall viel Geld, das nicht nur uns fehlen würde, sondern auch in der Staatskasse.“

Auch Robert Friedmann, der Chef der Würth-Gruppe, hält weitere Einschränkungen für schwierig. „Außerdem lehrt die internationale Erfahrung aus dem Frühjahr: Wenn man alles schließt, wird das Chaos noch größer.“ So wie im Frühjahr würden bei vielen Unternehmen die Lieferketten reißen – „und zwar sehr schnell“, sagte der Chef des Weltmarktführers im Vertrieb von Befestigungsmaterial.