Der 49-jährige Neil Gorsuch aus Colorado ist Donald Trumps Kandidat für den Obersten Gerichtshof – er erntet heftigen Gegenwind der Demokraten.

Washington - Es ist eine Personalie, die das Land möglicherweise nachhaltiger verändern wird als der Populist im Weißen Haus. US-Präsident Donald Trump hat am Dienstagabend ein Versprechen aus dem Wahlkampf eingelöst und einen konservativen Juristen als Kandidat für einen freien Posten am höchsten US-Gericht nominiert. Weil Verfassungsrichter in den USA auf Lebenszeit gewählt sind, könnte der 49 Jahre alte Neil Gorsuch noch Recht sprechen, wenn Trump längst nicht mehr Präsident ist.

 

Von seinem Hang zur Übertreibung konnte Trump auch bei der Vorstellung seines Favoriten im Weißen Haus nicht lassen. Gorsuch, der seit zehn Jahren an einem Berufungsgericht im Bundesstaat Colorado arbeitet, sei der „allerbeste Richter“ im Land, sagte Trump. Er habe „herausragende Fähigkeiten, ist ein brillanter Kopf verfügt über enorme Disziplin und hat parteiübergreifende Unterstützung“.

Milde im Ton, aber scharf in der Sache

Das allerdings muss sich noch zeigen. Gorsuch wurde zwar 2006 vom US-Senat einstimmig für den Richterposten im Rocky-Mountain-Staat Colorado bestätigt, doch ist nicht sicher, ob seine Berufung an das Verfassungsgericht in Washington ebenso problemlos verläuft. Einige Demokraten kündigten bereits Widerstand gegen Gorsuch an. Das liegt einerseits an dem tiefen Groll, den die Opposition gegen Trump und seinen Regierungsstil hegt. Andererseits gilt der Harvard- und Oxford-Absolvent Neil Gorsuch vielen Liberalen in Washington als ein stramm konservativer Richter, der zwar milde im Ton, aber scharf in der Sache ist. Gorsuchs Nominierung ist dennoch eine kleine Überraschung. Denn vor allem in demokratischen Kreisen war die Sorge groß, dass Trump einen richtigen Hardliner auswählen würde. Doch Gorsuch gilt nicht als Ideologe, sondern als Verfechter einer wörtlichen Auslegung der US-Verfassung. Ob er mit dieser Haltung die Demokraten beruhigen kann, ist ungewiss. Sie fürchten, dass der Jurist aus Colorado vor allem bei Themen wie Abtreibung, Waffengesetzen und Sterbehilfe auf einen konservativen Kurs einschwenken dürfte. Noch gilt er bei diesen Themen als ungeschriebenes Blatt.

Sonderrechte der konservativ-christlichen Gruppen unterstützt

Doch in einer seiner strittigsten Entscheidungen hat er Sonderrechte für konservativ-christliche Gruppen unterstützt: Gorsuch urteilte, dass Arbeitgeber wegen ihrer religiöser Überzeugungen nicht für Verhütungsmittel ihrer Beschäftigten aufkommen müssen, wie es die Gesundheitsreform von Trumps Vorgänger Barack Obama vorsieht. Der Vater zweier Töchter wuchs in Colorado auf, kennt aber die Hauptstadt schon aus seiner Jugend. Als Teenager zog er nach Washington, wo seine Mutter die Umweltbehörde EPA leitete. Später studierte Gorsuch an der Columbia University in New York, an der Harvard-Universität und im britischen Oxford. Das Innenleben des Supreme Court lernte er früh kennen, als er dort als Richterassistent arbeitete. Es folgten Stationen in einer Anwaltskanzlei und im Justizministerium, bevor er an das Bundesgericht in seinem Heimatstaat berufen wurde. Gorsuch ist ein Bewunderer des im Februar 2016 verstorbenen Supreme-Court-Richters Antonin Scalia, auf dessen Stelle er nun nachrücken soll.

Seit dem Tod des erzkonservativen Scalia herrscht ein Patt am Obersten Gerichtshof: Vier als gemäßigt und liberal geltende Juristen stehen vier konservativen oder zur konservativen Seite neigenden Richtern gegenüber. Der vom damaligen Präsidenten Barack Obama ausgewählte Scalia-Nachfolger, ein Liberaler, konnte sein Amt nicht antreten. Denn der von den Republikanern beherrschte Senat weigerte sich, den Kandidaten auch nur zu anzuhören, geschweige denn seine Nominierung zu bestätigen. Wenn Neil Gorsuch bestätigt wird, wird sich zunächst nur wenig an der Ausrichtung des Obersten Gerichts ändern. Richter Anthony Kennedy dürfte vorerst weiter als Zünglein an der Waage fungieren und trotz seiner konservativen Grundhaltung auch in Zukunft in Einzelfällen mit den liberalen Kollegen stimmen. Allerdings ist Kennedy bereits 80 Jahre alt und könnte theoretisch freiwillig aus dem Amt scheiden. Zwei andere Richter haben dieses Alter fast erreicht beziehungsweise schon überschritten. Es könnte also Donald Trump zufallen, konservative Juristen als deren Nachfolger zu ernennen. Das würde einen Rechtsruck im Obersten Gerichtshof zur Folge haben, der möglicherweise jahrzehntelang Bestand haben würde.