Das Klärwerk der Stadt Tübingen wird besser geschützt vor einem Jahrhunderthochwasser. Der dortige Damm soll mit Lehm und Beton abgedichtet werden. Der Damm vor Lustnau wurde bislang noch nicht ernsthaft geprüft.

Tübingen - Abseits aller Straßen und gut besuchten Spazierwege unterhalb Tübingens fällt kaum jemandem auf, dass dort zahlreiche Bäume gefällt werden. „Wir wollen das Klärwerk fit machen für ein Jahrhunderthochwasser“, sagt ein Sprecher des Tübinger Regierungspräsidiums. Mitarbeiter dieser Behörde entfernen Bäume und Hecken, nur drei Feldulmen bleiben stehen in diesem Bereich des Stadtteils Lustnau und des ehemaligen Egeria-Geländes. Dort ist inzwischen das Wohngebiet Alte Weberei entstanden.

 

Das letzte Jahrhunderthochwasser – also ein Pegel, der im statistischen Mittel einmal alle 100 Jahre erreicht wird – wurde zuletzt am 8. Juli 1987 rund um Lustnau registriert. Wie in einem 70 Quadratkilometer umfassenden Trichter hatten sich Niederschläge eines Starkregens im Schönbuch gesammelt und den Goldersbach aus dem Bett treten lassen. Das Wasser auf der „Adlerkreuzung“ stand rund 1,5 Meter hoch und floss ab in Richtung des nahen Neckars, in den der Goldersbach mündet.

Damm beim Klärwerk wird verdichtet

Auch die Kläranlage wurde überschwemmt, Teile der Elektronik zerstört. Dieses Klärwerk ist mit einem niedrigen Damm umgeben, der nach Meinung der Fachleute nicht genügend Schutz bietet, falls der Neckar einmal mehr mit Nachdruck über die Ufer tritt. Hier setzen die Arbeiten der nächsten Wochen an. „Eine Schutzschicht aus Lehm und Beton soll künftig verhindern, dass Wasser durch die Dämme dringen kann“, erklärt die Tübinger Stadtverwaltung. Das Klärwerk wird mit Schiebetoren versehen, die im Hochwasserfall gewährleisten sollen, dass Wasser nicht eindringt, sondern sich auf den Feldern im Neckartal ausbreitet. In der Anlage wird das Abwasser des gesamten Stadtgebietes von Tübingen und einigen umliegenden Gemeinden gereinigt.

Damm schützt Stadtteil Lustnau

Der Stadtteil Lustnau selbst ist auf seiner anderen Seite besser geschützt vor den Folgen eines über seine Ufer getretenen Goldersbachs. In Richtung Schönbuch und Bebenhausen zieht sich gut sichtbar ein Damm in 4,20 Meter Höhe und rund 180 Meter Länge quer durchs Tal und einige Hundert Meter flussaufwärts. Der Straßenverkehr von Tübingen nach Bebenhausen/Böblingen rollt durch eine 16,5 Meter breite Öffnung in diesem Damm, mit dessen Bau vor fünf Jahren begonnen wurde.

Seit 2012 wird das Tor zu Wartungsarbeiten einmal im Jahr geschlossen und der Verkehr über einen Seitenweg geleitet. „Das geschieht meist im Frühjahr zwischen Ostern und Pfingsten“, sagt eine Sprecherin der Stadt Tübingen. Wegen eines drohenden Hochwassers sei es bisher dreimal geschlossen worden. Allerdings fielen diese Ereignisse bisher nicht so heftig aus, dass sich hinter dem Damm Wasser zu einem See gestaut hätte. Bis zu 135 000 Kubikmetern Wasser können aufgehalten werden. Für ein Hochwasser wie jenes von 1987 würde diese Kapazität allerdings nicht ausreichen. Dazu wäre der Bau eines Damms mit einer Höhe von 15,4 (!) Meter notwendig gewesen. Die Pläne zur Errichtung des Monsters waren weit fortgeschritten, bevor sie gekippt wurden. Der bestehende, flachere Damm führt immerhin dazu, dass den in tieferen Lagen von Lustnau lebenden Einwohnern vier bis fünf Stunden zusätzlich an Zeit bleibt, um sich auf ein Jahrhunderthochwasser vorzubereiten.

Wenn die Pegelmessungen und Niederschlagsmessungen im Einzugsgebiet des Goldersbachs auf ein drohendes Hochwasser hindeuten, löst die Feuerwehrleitstelle Alarm aus, der über eine Sirene im ganzen Ortsteil zu hören sein soll.