Laible, Keks oder Brötle wird gern Ausdruck für Weihnachtsgebäck verwandt. Aber wo genau wird welcher schwäbische Dialekt wann gesprochen? Lange lag die Forschung über solche Fragen brach, nun finanziert das Land neue Projekte.

Tübingen - Löwenzahn ist nicht immer Löwenzahn, sondern genauso Bettsaicher, Lawezaa, Milchbusch oder Sunewirbel. Wer welchen Begriff nutzt und ausspricht, das wird in Tübingen erforscht. Wird „wieder“ erforscht, betonen die Professoren Reinhard Johler und Hubert Klausmann. In den vergangenen Jahren sei die wissenschaftliche Aufarbeitung des schwäbischen Dialekts ziemlich vernachlässigt worden. „Nun ist sie gesichert“, sagen die Wissenschaftler. Für einen Zeitraum bis 2020 sind diverse Projekte finanziert. Die Rede ist von einer Million Euro, von denen das Stuttgarter Wissenschaftsministerium den größten Teil übernimmt.

 

Ein Teilprojekt widmet sich der Erstellung eines digitalen Sprachatlasses für Baden-Württemberg. Auf einer Karte des Landes werden zwischen 40 und 50 Ortschaften verzeichnet sein. Per Mausklick ist dann umgehend zu hören, wie beispielsweise das Wort „Türklinke“ ausgesprochen wird oder welche Begriffe dafür noch verwendet werden. Schnalle, Falle oder schlicht Griff? Wie so etwas grundsätzlich funktioniert, führen die Tübinger mit dem Begriff „Madel“ vor: klickt man auf den Nachbarort auf der Karte, ist „Dirndl“ zu vernehmen. Richtig – so weit reicht der Begriff der bayerischen Nachbarn.

Brötle, Keks oder Laible?

Bis so ein Sprachatlas für Nord-Württemberg im Internet zur Verfügung steht, dürfte noch ein gutes Jahr vergehen. Aktuell führen die Wissenschaftler in den Ortschaften Gespräche mit Mundartkundigen, die ihnen von der Ortsverwaltung empfohlen worden sind. Da geht es nicht um Lebensgeschichten, sondern um Begriffe samt Fragen beispielsweise nach den Backwaren zu Weihnachten. Weihnachtsgebäck, Brötle, Keks oder Laible – die Antworten werden aufgezeichnet.

Früher wurde die Erforschung der Heimatsprache in Tübingen hochgehalten, Namen wie Arno Ruoff oder Hermann Bausinger standen dafür. 1959 gründete Arno Ruoff seine der Universität angeschlossene Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“, die er bis zu seiner Pensionierung 1995 leitete. „Danach ist hinsichtlich der Wissenschaft nicht mehr viel passiert“, sagt Hubert Klausmann, der seit 2009 am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft lehrt.

800 Stunden werden digitalisiert

Geschehen ist dennoch viel in den letzten Jahren. So konnten 2040 Aufnahmen des Arno-Ruoff-Archivs vorwiegend aus den 1950er-Jahren gerettet werden. Material von 800 Stunden wurde von den zunehmend „verrauschten“ Tonbändern auf CDs gebrannt. Finanziert wurde dies vom Förderverein Schwäbischer Dialekt. Ruoff und auch Bausinger hatten in 500 Orten im Land Menschen zu ihrem Leben befragt. Weil die älteren von ihnen von ihrer Jugend erzählten, ist auf diese Weise zu hören , wie man um 1900 sprach. In den nächsten Jahren soll dieser „riesige Schatz“, wie die Tübinger Wissenschaftler sagen, vollständig digitalisiert werden. Parallel dazu wird es auch um die wissenschaftliche Auswertung des Materials gehen. Wie entwickelt sich der Dialekt? Wo wird er gesprochen? Wie ändern Schwaben ihre Sprachfärbung in bestimmten Situationen? „Man sollte dabei nicht immer an das letzte Dorf denken“, sagt Johler. Auch in Gemeinden rund um Stuttgart werden Interviews geführt.