Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen steht nach Recherchen des Fernsehmagazins „Stern TV“ wegen Tierversuchen an Affen in der Kritik. Die Aufsichtsbehörde untersucht nun die Vorwürfe.

Tübingen - Die Bilder des Fernsehmagagazins „Stern TV“ sind ein Appell gegen Tierversuche. Ein Tierschützer hatte sich als Pfleger im Tübinger Max-Planck-Institut (MPI) für biologische Kybernetik verdingt und dann dort mit versteckter Kamera Aufnahmen gemacht. Sie zeigen unter anderem einen blutenden Affen, der nach einer Hirnoperation die Wunde aufkratzt, sowie ein Tier, das sich heftig dagegen wehrt, aus dem Käfig genommen zu werden. Die Tiere werden für Grundlagenforschung am Gehirn eingesetzt. In einer Stellungnahme wehrte sich die Max-Planck-Gesellschaft gegen die Bilder. Praktisch keine der Aufnahmen zeige den Normalzustand der Tierhaltung am Institut.

 

Die Aufsichtsbehörde prüft nun die Vorwürfe

Nur 5,3 Kilometer liegen zwischen dem Tübinger Regierungspräsidium (RP) als Genehmigungsbehörde für Tierversuche und dem Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. Gleich nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe von „Stern TV“ sind eine Mitarbeiterin vom Referat 35 des Regierungspräsidiums und eine Kollegin des Veterinäramtes im Tübinger Landratsamtes zum Institut gefahren, um sich in den Labors umzusehen. „Die drastischen Bilder aus dem Fernsehen haben sich nicht bestätigt“, erklärte ein Sprecher der Behörde. Dabei wollen es die Beamten aber nicht belassen. Am Freitag musste der für den Tierschutz verantwortliche Vertreter des Max-Planck-Instituts die Strecke zurücklegen. Er war in das Regierungspräsidium einbestellt worden, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. „Auf Grundlage dieses Gesprächs formulieren wir nun schriftlich Fragen an das Institut“, berichtet der RP-Sprecher. Der Inhalt soll um Veranwortlichkeiten im Labor gehen und das Befolgen von Dienstanweisungen. Weitere Erkenntnisse über die Anschuldigungen erwartet das Regierungspräsidium nach der Beantwortung dieser Fragen.

Das Recht untersagt Versuche mit Affen nicht

Ganz nach geltendem Recht müssen Tierversuche genehmigt werden. Dieses Recht untersagt Versuche mit Affen nicht. Vor der Genehmigung muss ein Antragsteller ein zehn Seiten umfassendes Formular ausfüllen. Da geht es um die „Experimentatoren“, die nachzuweisen haben, dass sie die fachliche Qualifikation zur Durchführung der Versuche besitzen. Dazu gehört in aller Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium im Bereich der Veterinärmedizin, der Medizin oder der Naturwissenschaften. Im Antrag muss über die „Ethische Vertretbarkeit“ eines Tierversuchs Auskunft gegeben werden. Mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten ist die Frage, ob „schmerzhafte Eingriffe mit oder ohne Betäubung“ durchgeführt werden.

Verlangt wird auch eine Erklärung, mit der sich der Institutsleiter und sein Stellvertreter verpflichten, die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften nach dem Tierschutzgesetz zu übernehmen. Auch für den Umgang mit den Tieren abseits der Versuche gibt es Vorschriften. Laut dem Vertreter des Regierungspräsidiums reichen die bis zu Einzelheiten der Fütterung. So muss ausreichend Wasser für die Tiere bereitstehen, und Obst und Gemüse zum Futter gehören. Die Behörde verlangt auch den Nachweis, wie viele Tiere die Versuche im Tübinger Institut durchlaufen müssen. „Es sind 42 Affen“, sagt der Sprecher. Überleben wird wohl keines der Tiere. „Auch am Gehirn des toten Tieres werden Obduktionen durchgeführt“, lautet die Auskunft.

Grundlagenforschung ist nötig, um das Hirn zu verstehen

Das Gehirn ist ein komplexes Organ, das komplizierteste im menschlichen Körper: 80 Milliarden Nervenzellen, von denen jede noch zahllose Kontakte mit anderen Neuronen hat, bestimmen das Denken, das Handeln, die Persönlichkeit. Funktioniert in diesem komplexen Gefüge die Kommunikation zwischen den Zellen nicht, kommt es zu Ausfällen. Beispiele dafür sind Altersleiden wie Alzheimer oder Parkinson. Zu Störungen im Gehirn kann es in jedem Alter kommen, davon zeugen psychische Probleme wie etwa die Schizophrenie. Gibt es Unregelmäßigkeiten bei der Sauerstoffversorgung der Nervenzellen drohen akute Leiden, etwa ein Hirnschlag.

Um diese und andere Krankheiten verstehen zu können, müssen Grundlagenforscher zunächst herausfinden, wie dieses Organ grundsätzlich arbeitet (dieses Fachgebiet wird Kybernetik genannt), wie die Signale von der Außenwelt verrechnet, abgespeichert und an andere Regionen weitergeleitet werden. Dies geschieht in Tierversuchen mit verschiedenen Tieren, auch mit Affen. Wissenschaftler vom Max- Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen untersuchen Hirnstrukturen an Affen. Dafür gibt es im Prinzip zwei Arten von Methoden: Einerseits kann man den Funkverkehr zwischen den Nervenzellen von außen mit der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) beobachten. Das ist eine unblutige Methode, die aber nur einen indirekten Einblick in das Geschehen gewährt.

Elektroden werden direkt ins Hirn eingeführt

Andererseits kann man durch Mikroelektroden direkt messen, welche Hirnaraeale bei diversen Verhaltensweisen aktiv werden. Dabei werden Elektroden ins Gehirn direkt eingeführt, wie man dies bei einigen Operationen beim Menschen auch macht. So werden bei der sogenannten tiefen Hirnstimulation bei Parkinsonkranken ein oder zwei dünne Elektroden dauerhaft in das Gehirn implantiert. Von außen kann man Impulse an diese Elektroden geben, um die Erkrankung so in den Griff zu bekommen. Ohne Tierversuche wäre diese Therapie undenkbar. Auch für die Auswertung menschlicher MRT-Bilder sind Vergleichswerte aus Tierexperimenten hilfreich. Sie helfen Ärzten bei der Interpretation der Patientendaten.