Der umstrittene OB von Tübingen war zu Gast im Rems-Murr-Kreis. Was er zur AfD und dem Fall Maaßen zu sagen hatte - und dazu, warum er die Partei nicht wechseln will, lesen Sie hier.

Waiblingen - Wir können nicht allen helfen“ – so heißt das Buch, aus dem Tübingens OB Boris Palmer im Kulturhaus Schwanen vorlesen möchte. „Wir können nicht allen helfen“ – heißt es auch am Saaleingang: Viele müssen weggeschickt werden, vermutlich hätte der Saal zweimal gefüllt werden können. Keine Frage: Boris Palmer zieht – vielleicht weil er in Waiblingen geboren ist, vielleicht weil er vielen noch als Sohn von Remstalrebell Helmut Palmer bekannt ist und ganz sicher auch, weil der Grünen-Politiker oft mit seiner Meinung zur Flüchtlingspolitik polarisiert.

 

Die jüngsten Ereignisse sind schließlich der Grund dafür, warum Boris Palmer nur drei kleine Passagen aus seinem Buch liest, „das so aktuell nicht ist, dass da schon alles drinstehen würde.“ Lieber möchte er darüber reden, warum die Absetzung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ein so gutes Beispiel dafür ist, was aus seiner Sicht derzeit falsch läuft in der Debatte über Flüchtlinge, aber im Grunde auch in Politik und Gesellschaft im allgemeinen: „Jede Seite möchte die Deutungshoheit im Land haben, deswegen gibt es kein Nachgeben, keine Kompromisse. Und das bringt uns nicht weiter“, sagt der 46-Jährige.

Der Tübinger OB zum Fall des Verfassungsschutz-Chefs Maaßen:

Völlig legitim findet er es, dass die SPD die Absetzung des Verfassungsschutzpräsidenten gefordert hat. Eher weniger geschickt findet er, dass sich der Streit darüber in der Regierung so zugespitzt hat, dass Hans-Georg Maaßen nun Staatssekretär und damit befördert wird. „Da langt sich jeder ans Hirn. Wer genug von dem Kasperletheater hat, landet bei der AfD.“

Anstatt solcher Machtkämpfe brauche es etwas ganz anderes: „Wir müssen uns mehr über Lösungen unterhalten.“ Wie diese im Fall der Flüchtlingspolitik aussehen könnten, auch das beschreibt der Oberbürgermeister seinem Publikum: kurz zusammengefasst möchte er Asylbewerber, „die sich in ihrem Gastland nicht benehmen können“, schneller abschieben. Das betreffe diejenigen, die mit Drogen dealten, gewaltbereit seien und mit der Polizei aneinandergerieten.

Darum will Palmer bei den Grünen bleiben:

Als OB kenne er in seiner Stadt 50 Flüchtlinge, mit denen es nur Ärger gebe. „Das sind auch diejenigen, die am Bahnhof oder im Stadtpark rumhängen und alles kaputt machen. Sagen darf man das aber nicht, weil man dann einen Stempel bekommt.“ Als Kommune hätte er gerne die Möglichkeit, diese Flüchtlinge bei schlechtem Benehmen wieder in eine Erstaufnahmestelle zu schicken. Diejenigen wiederum, die sich anstrengen würden – etwa um einen Job oder darum, die Sprache zu erlernen, sollten ein Aufenthaltsrecht bekommen.

Dass seine Meinung inhaltlich von der Flüchtlingspolitik der Grünen abweicht, ist ihm bewusst: „Aber mein Herz ist tiefgrün. Für mich gibt’s keine andere Partei, wegen einem Thema: der Bewahrung der Schöpfung. Keine andere Partei betreibt dies so ernsthaft“, bekräftigt Boris Palmer, der auf Nachfrage auch verrät, was ihm Ministerpräsident Winfried Kretschmann erst kürzlich bei einer gemeinsamen Dienstreise nach San Francisco geraten hat: „Er sagt, ich soll mich besser mit meiner Partei vertragen“, sagt er und lacht.

Boris Palmer lässt auch kritische Fragen zu

Palmer zeigt an dem Abend im Kulturhaus Schwanen, dass er das, was er einfordert – aufeinander zugehen, um Positionen ringen – durchaus selbst beherrscht. So möchte etwa ein Zuhörer wissen, was Bund, das Land, die Kommunen und die Krankenkassen für die Flüchtlinge ausgeben. „Das ist doch egal“, ruft ein anderer Besucher sofort. „Das war doch für den Moment eine sachliche Frage, ich habe keinen Begriff gehört, der nach rechtsradikal klingt. Deswegen sollte man diese Frage auch stellen dürfen, ohne unter Druck gesetzt werden“, meint Boris Palmer. Auf der anderen Seite habe auch der Zwischenruf etwas für sich: „Dahinter steckt die Haltung, dass es keine Rolle spielt, wie viele Milliarden es kostet, um Menschenleben zu retten.“ Palmer schätzt die Summe übrigens auf rund 25 Milliarden Euro – ob das viel oder wenig sei? Ansichtssache.

Der Politiker ermuntert das Publikum schließlich, sich selbst auf praktische Diskurse einzulassen. „Die Politik wird getrieben von Extremen. Wir müssen vernünftig, ohne Glaubenskrieg, über Probleme reden. Da kann sich jeder einbringen und ich werde nicht müde, das immer wieder zu sagen.“