Er klang auf Twitter so echt, dass manche Leser ihn tatsächlich für Boris Palmer hielten. Doch hinter dem Auftritt steckte ein anonymer Spaßvogel. Nun hat das Orignal die Fälschung sperren lassen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der angebliche Boris Palmer klang auf Twitter fast wie der echte auf Facebook. Als „Face(book)palmer“ (@FaceBPalmer) zwitscherte er auf dem Kurznachrichtendienst über die gleichen Themen wie in dem sozialen Netzwerk. Mal rechtfertigte er sich gegen die Rassismusvorwürfe gegen ihn, mal lobte er seine Verkehrspolitik in Tübingen, mal machte er sich über die Kruzifix-Initiative des bayerischen Ministerpräsidenten Söder lustig. Videos von TV-Interviews mit dem Tübinger Oberbürgermeister ließen den Account ebenso authentisch erscheinen wie das Konterfei mit Fahrradhelm oder der Verweis auf die Internetseite www.borispalmer.de. Zu den mehr als 200 Followern zählten denn auch Multiplikatoren aus Politik, Medien und Verbänden.

 

Stutzig hätte sie die ungewohnt selbstironische Eigencharakterisierung machen können. Da beschrieb sich „Palmer“ unter anderem als „Selbstdarsteller, unrasierbar, Facebook-süchtig“ oder „Rechthaber“. Auch die Tonlage seiner Einträge war noch etwas rechthaberischer und egozentrischer, als man sie von Facebook kennt. Als angesichts seiner Äußerungen zu Asylbewerbern nach dem Parteiausschluss gerufen wurde, patzte „Palmer“ zurück: „Ich muss Sie enttäuschen – ich stehe unter Schutz von Kretsch - mann.“ Mehr noch: Er werde „der nächste MP von BaWü“. Tatsächlich schätzt der Regierungschef den Tübinger OB besonders, und mancher Politologe sähe in ihm sogar einen geeigneten Nachfolger.

„Der Account wurde gesperrt“

All das wirkte auf viele Leser so realistisch, dass sie auf dem Twitter-Kanal über den vermeintlichen Grünen schimpften (da sehe man mal wieder, „wie borniert BP ist“) oder mit ihm korrespondierten; er antwortete sogar. Doch sie hatten es nicht mit dem wirklichen Boris Palmer zu tun, sondern mit einem anonymen Spaßvogel. Palmer sei auf Twitter gar nicht aktiv, sagte eine Tübinger Rathaussprecherin, als unsere Zeitung nach dem Auftritt fragte: „Der Account ist nicht von ihm.“ Ähnliche Konten habe man in der Vergangenheit immer wieder sperren lassen, auch bei dem fraglichen werde man das beantragen. Mit Erfolg: Seit wenigen Tagen ist „Face(book)palmer“ nun verstummt. Wer den Twitter-Kanal aufruft, wird enttäuscht: „Der Account, den du ansehen möchtest, wurde gesperrt.“