Wegen des unachtsamen Umgangs mit Teelichtern ist eine Platane auf der Neckarinsel in Flammen aufgegangen. Ersatzpflanzungen sind nicht möglich

Tübingen - Der schlimmste Verdacht hat sich nicht bestätigt: Dass eine Platane in Tübingens schönster Allee auf der Neckarinsel brannte, ist nicht auf eine mutwillige Brandstiftung zurückzuführen. Ordnungsamtschef Rainer Kaltenmark spricht vielmehr von „Gedankenlosigkeit und Fahrlässigkeit“. Laut Zeugen hatten zwei unbekannte junge Frauen am Abend des Valentinstages Teelichter in den ausgehöhlten Baum gestellt. Der ging nachgerade explosionsartig in Flammen auf, wie auf einem Amateurvideo zu sehen ist. Begünstigt wurde das Feuer durch das trockene Innere des Baums und durch den Kamin-Effekt im hohlen Stamm. 80 Minuten benötigte die Feuerwehr, bis der 200 Jahre alte Baum vollständig gelöscht war. Zu retten ist er nicht. In diesen Tagen wird er gefällt.

 

„Die Platanenalle ist für Tübingen aus kultureller, historischer und touristischer Sicht von größtem Wert“, hob der Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hervor. Zunächst hatte ihn die Sorge umgetrieben, dass jemand auf den Gedanken gekommen sein könnte, die Bäume mutwillig zu zerstören. Zur Erleichterung trug auch bei, dass Stadtgärtner Wolfgang Mang diese Platane als die zweitschlechteste der aus 83 Bäumen bestehenden Allee bezeichnete. Die arg ausgedünnten und schmächtigen Äste des Baums wurden seit langem durch Seile fixiert. Die beiden weit gesünderen Nachbarn haben die Lücke in den Baumkronen bereits geschlossen. Andererseits war gerade dieser Baum auch als Attraktion bei Kindern beliebt, die sich gern in dem hohlen Baum versteckten.

Baum war schon sehr krank

Der Verlust des Baumes gegenüber dem Hölderlinturm schmälert die Pracht von Tübingens schönster Ansicht nur unwesentlich. Ersetzbar ist er allerdings nicht. Frühere Versuche sind gescheitert, wie zwei im Schatten der Riesen verkümmerte Bäumchen anschaulich zeigen. So stellt sich die Frage, wie es um den Allgemeinzustand des Kulturdenkmals bestellt ist. Stadtgärtner Mang zeichnet ein düsteres Bild. Alle Bäume befänden sich in der „Abgangsphase“ ihres Lebenszyklus. Sie sind von Pilzen befallen, Äste sterben ab, Wurzeln sind angekränkelt. Dagegen lasse sich wenig tun, sagen die Experten. Allenfalls ein schonender Umgang könne lebensverlängernd wirken. Feste zu feiern ist somit auf der Neckarinsel nicht mehr gestattet. Zudem wollen die Stadtgärtner die Spazierwege schmaler gestalten. Die Flaneure sollen auf Abstand gehalten werden, damit das Wurzelwerk weniger belastet wird.

Über das Schicksal dieser Platanen wird in Tübingen schon seit bald zwei Jahrzehnten gerungen. Als damals Stadtgärtner von den Krankheiten der Bäume berichteten, wurde ein Baubürgermeister nur von Gemeinderäten abgehalten, die meisten Bäume fällen zu lassen. Ein Gutachten wurde bestellt, danach wurde die Statik der Bäume 1996 durch wenig auffallende Seilverbindungen zwischen den Kronen erhöht. Aus einer Expertise 2006 ging hervor, dass die Bäume deutlich an Standsicherheit verloren haben. Seither wird immer wieder versucht, den Bäumen zu helfen. Doch auch OB Palmer ist klar: „Wir müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass dieses Ensemble nicht für die Ewigkeit ist.“ Ob Jahre oder doch Jahrzehnte vergehen werden, bis diese Bäume gefällt werden müssen, kann noch niemand sagen.