Tübinger US-Experte zur Wahl „Das Land ist nicht reif für eine Präsidentin“

Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl gewonnen. Foto: dpa/Evan Vucci

Der Tübinger US-Experte Michael Butter ordnet im Gespräch die Ergebnisse der US-Wahl ein, erklärt, wie Trump überzeugen konnte, und was das Wahlergebnis für die USA, Deutschland und die Welt bedeuten könnten.

Digital Desk: Chiara Sterk (chi)

Erst kürzlich hat Michael Butter, Professor für Amerikanistik an der Universität Tübingen, in Renningen über Verschwörungstheorien referiert. Mit der US-Wahl ist sein Forschungsgebiet mal wieder von besonderer Bedeutung geworden.

 

Im Gespräch ordnet er die Ergebnisse der US-Wahl ein, erklärt, wie Trump überzeugen konnte, und was das Wahlergebnis für die USA, Deutschland und die Welt bedeuten könnten.

Wie blicken Sie auf die Ergebnisse der US-Wahl, Herr Butter?

Ich persönlich bin nicht überrascht. Ich betrachte das Ergebnis als erstaunlich knapp. Ich hatte tatsächlich damit gerechnet, dass Donald Trump alle sieben Swing States gewinnt. In den Umfragen 2016 und 2020 wurde Trump schon unterschätzt. Um das Ergebnis zu deuten, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder haben die Republikaner trotz oder wegen Trump gewonnen. Eine große Rolle haben in diesem Wahlkampf die Migrationskrise, die Inflation und die Wirtschaftskrise gespielt. Dass der amtierende Präsident Biden so niedrige Zustimmungswerte hat, hat schon angedeutet, dass die Opposition gewinnt.

Was würden Sie sagen, wie konnte Trump überzeugen – und wieso hat Harris eingebüßt?

Neben der katastrophalen Wirtschaftslage und der Migrationskrise spricht Trump einfach eine gewisse Wählerschicht an - Männer ohne College-Abschluss etwa, die Trump schon 2016 geholfen haben oder jetzt auch Hispanics. Kamala Harris kommt bei diesen Wählergruppen viel schlechter an. Man muss sagen, dass das Land nicht reif für eine Präsidentin ist, die noch dazu nicht weiß ist. Viele Männer fühlen sich nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell abgehängt. Denen hat Trump eine traditionellere Form von Männlichkeit angeboten – und auch rassistische Ressentiments bedient. Dazu kommt, dass Joe Biden zu spät abgetreten ist. Jemand wie der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, hätte womöglich Michigan, Wisconsin und Pennsylvania gewinnen können. Harris hatte auf bestimmte Fragen keine Antwort, etwa was Migrationspolitik angeht. Es gibt eine Migrationskrise in den USA und das Land ist nicht darauf vorbereitet. Auch auf die Wirtschaftslage, die noch immer unter Trump und SARS-Cov-19 leidet, ist sie nicht wirklich eingegangen, hat keine Angebote gemacht.

Michael Butter forscht an der Uni Tübingen zu Verschwörungstheorien. Foto: privat

Was bedeutet das Wahlergebnis für die Menschen in den USA?

Noch ist unklar, ob die Republikaner auch das Repräsentantenhaus gewinnen und durchregieren können. Falls das der Fall sein sollte, wird mit Sicherheit der Druck auf Trump steigen, Abtreibungen auch auf nationaler Ebene zu verbieten – und damit die Entscheidung des Supreme Courts noch einmal zu verschärfen. Es wird massiv abgeschoben und die Migranten werden sicher brutal behandelt werden. Und wenn Robert Kennedy Junior wirklich Gesundheitsminister wird, wäre ein eingefleischter Verschwörungstheoretiker und Impfgegner auf diesem Posten.

Und was für Deutschland und die Welt?

Die unmittelbarsten Auswirkungen werden in der Ukraine spürbar sein, für die ist das eine Katastrophe. Trump hat sich mehrmals dafür ausgesprochen, keine weitere finanzielle Unterstützung oder Waffen an die Ukraine zu liefern. Das kann die Nato nicht auffangen, dabei hat die Ukraine gerade ohnehin Mühe, ihre Front zu halten. Womöglich vermittelt Trump einen Friedensvertrag, bei dem die Ukraine die besetzten Gebiete und vielleicht noch mehr an Russland abtreten muss. Womöglich macht Russland bald weiter und provoziert die baltischen Staaten und damit die Nato. Wirtschaftspolitisch muss man sagen, dass gerade Deutschland schlecht vorbereitet ist. Erst in den letzten Monaten hat man begriffen, wie wahrscheinlich es ist, dass Trump wieder gewählt werden könnte. Denn besonders Deutschland als Exportland wäre von Strafzöllen betroffen, mit denen Trump Produkte belegen möchte. Dabei ist die deutsche Wirtschaft aktuell ohnehin angeschlagen. Und auch für den Klimaschutz sehe ich keine schönen Aussichten: Trump wird sicher wieder aus dem Klimaschutzabkommen aussteigen und auch Bohrungen nach Erdöl in Alaska erlauben.

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