Die türkische Regierung geht nach dem gescheiterten Umsturzversuch radikal vor – sogar gegen getötete Putschteilnehmer. Geächtet werden sie auf einem eigens geschaffenen Friedhof begraben - ohne Gebete, ohne Zeremonie.

Istanbul - Ganz hinten in einer Ecke auf der Baustelle für ein neues Hundeasyl im Osten Istanbuls liegt ein frisches namenloses Grab. Es ist das erste auf dem neuen „Friedhof der Verräter“, der eigens für die Leichen getöteter Teilnehmer am gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli geschaffen wurde.

 

Insgesamt kamen dabei etwa 290 Menschen ums Leben, darunter 24 mutmaßliche Putschisten. Die Regierung nennt sie Verräter, unwürdig, ein angemessenes Begräbnis zu erhalten. Daher hat die Stadtverwaltung von Istanbul in der Woche nach dem Umsturzversuch bekanntgegeben, dass für diese Toten ein spezieller „Friedhof der Verräter“ entstehen werde. „Möge jeder, der vorbeikommt, sie verfluchen und sie nicht in Frieden ruhen lassen“, sagte Istanbuls Bürgermeister Kadir Topbas der Nachrichtenagentur Dogan zufolge.

Insgesamt geht die Regierung nach dem Putschversuch radikal vor, hat fast 16 000 Menschen festgenommen, darunter 10 000 Militärangehörige. Und das vor dem Hintergrund massenhafter Patriotismusbezeugungen in der Bevölkerung: Viele Türken lassen Flaggen aus den Fenstern ihrer Wohnungen oder Autos hängen, und abends gibt es regierungsfreundliche Kundgebungen in vielen Städten.

Keine Begräbniszeremonien und -gebete

Die türkische Behörde für religiöse Angelegenheiten hat angeordnet, dass es keine Begräbniszeremonien und -gebete für jene geben soll, die im Zuge ihrer Beteiligung am Putschversuch ums Leben kamen. Solche Gebete, so hieß es, seien für die Gläubigen als ein Akt der Entlastung gedacht, „aber diese Menschen haben mit ihrer Handlung nicht nur einzelne Personen, sondern die Gesetze einer ganzen Nation missachtet, und daher verdienen sie keine Entlastung durch die Gläubigen“.

Andrew Gardner, Türkei-Experte bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, spricht von einem Schritt, „der zu einer ziemlich vergifteten und gefährlichen Atmosphäre“ nach dem Umsturzversuch beitrage. „Menschen religiöse Dienste und ein ordentliches Begräbnis zu verweigern ist eine grundsätzliche Verweigerung von Menschenrechten.“ Unter allen normalen Umständen wäre so etwas „unvorstellbar“.

An dem Friedhof wurde schnell gearbeitet. Binnen zwei Tagen war eine Steinmauer um den Flecken Land auf der Baustelle für das Hundeasyl errichtet. Seit Montag steht auch ein schwarzes Hinweisschild mit der weißen Aufschrift „Friedhof der Verräter“. Am selben Tag brachte ein Krankenwagen die erste und bisher einzige Leiche, wie Arbeiter schilderten. Sie wurde unter einer sterbenden Pinie begraben, ohne Gebete, ohne Zeremonie.

Drei weitere Gräber sind ausgehoben

Wer unter dem groben Erdhügel aus Erde, Steinen und abgebrochenen Zweigen liegt, darüber waren sich die Arbeiter nicht sicher. Aber in örtlichen Medien hieß es, dass es Mehmet Karabekir ist, ein 34-jähriger Hauptmann und Vater von zwei Kindern. Seine Mutter soll sich geweigert haben, die Leiche in Empfang zu nehmen, daher sei er auf dem neuen Friedhof beerdigt worden. Drei weitere Gräber sind bereits ausgehoben.

Der Friedhof liegt so weit hinten auf der Baustelle, dass er nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Aber einige, die sich im benachbarten provisorischen Hundeasyl um die Vierbeiner kümmern, meinen, dass nicht einmal die Tiere es verdienten, Putschisten in der Nähe zu haben, auch nicht tote, auch nicht unter der Erde.

„Sie hätten sie woanders weit entfernt von unseren Tieren begraben sollen. Ich wünschte, wir wüssten nicht, dass sich diese Verräter hier befinden. Wir wollen sie nicht“, sagt Serhan Baturay, eine 57-jährige Freiwillige, die auch Tierschutzorganisationen betreibt.

„Sie sollten keinen Platz neben unseren Hunden haben, Sie sollten nirgendwo in der Türkei sein. Sie sollten verbrannt und ihre Asche in den Ozean geworfen werden. Es sollte nirgendwo in diesem Land eine Spur von ihnen geben.“