Die türkische Regierung hat mit einem Gesetzesvorschlag zu Vergewaltigung in der Ehe heftige Kontroversen ausgelöst. Das vorgeschlagene Gesetz soll auf Taten angewendet werden, die zwischen 2005 und Mittwoch dieser Woche begangen wurden.

Istanbul - Nach diesem Gesetzesentwurf in der Türkei sollen Strafen für sexuelle Übergriffe ausgesetzt werden, wenn es keine Gewalt gab und Opfer und Täter verheiratet waren. Damit sollten Personen geschützt werden, die laut Gesetz noch zu jung für eine Ehe sind, argumentierte die islamisch-konservative Regierungspartei AKP. Der Vorschlag fand zunächst keine Zustimmung im Parlament und soll am Dienstag erneut beraten werden.

 

Mindeststrafe eingeführt

Bis vor elf Jahren war in der Türkei Vergewaltigung in der Ehe kein Straftatbestand. 2005 wurde für sexuelle Übergriffe eine Mindeststrafe von acht Jahren eingeführt; seit 2014 liegt sie bei 16 Jahren.

Das vorgeschlagene Gesetz soll auf Taten angewendet werden, die zwischen 2005 und Mittwoch dieser Woche begangen wurden. Es gehe um Akte, die mit Zustimmung der Familien und der Minderjährigen und in Unkenntnis der genauen Rechtslage erfolgt seien, sagte Justizminister Bekir Bozdag. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, das Gesetz solle eine ungerechte Situation bereinigen.

Die Opposition sah darin hingegen den Versuch, Vergewaltiger zu begnadigen und Kinderehen zu erleichtern. Seine Partei weise den Vorstoß energisch zurück, sagte der Vizechef der oppositionellen Republikanischen Volkspartei, Tekin Bingöl, der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge.

Problem der Kinderehen

Mehmet Onur Yilmaz von der Kinderrechtsorganisation Gündem Cocuk sagte, die Regierung nehme das Problem der Kinderehen nicht ernst. Sie betrachte die Ehe vielmehr als Lösung für das Problem sexuellen Missbrauchs. Wenn türkische Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren heiraten wollten, könnten sie nach derzeitigem Rechtsstand eine Sondergenehmigung beantragen, der die Gerichte auch fast immer zustimmten.