In der Allianz herrscht Stoltenberg zufolge dennoch große Besorgnis, dass die Lage in und um Syrien weiter eskalieren könne – vor allem weil die Luftraumverletzungen vom Wochenende „kein Versehen“ darstellten. Ein russisches Jagdflugzeug hat dabei nach Nato-Lesart nicht nur die Grenze missachtet, sondern auch türkische Jets mit dem Laser als Ziel erfasst. Militärs zufolge ist das ein bisher einmaliger Vorgang, nur die besonnene Reaktion der türkischen Seite habe Schlimmeres verhindert.

 

Pentagonchef Ashton Carter bestätigte in Brüssel, dass zwischenzeitlich sein Generalstab mit dem russischen in Kontakt ist, damit sich die US-geführte Koalition gegen die Dschihadisten des Islamischen Staates und Russlands Luftwaffe nicht ins Gehege kommen. Mehr als Schadensbegrenzung wird damit aber nicht betrieben, wie sich aus Äußerungen des US-Nato-Botschafters ablesen lässt. „Das verkompliziert die humanitäre Situation dramatisch“, sagte Douglas Lute angesichts dessen, dass die vom Kreml unterstützte Offensive des Assad-Regimes bisher relativ ruhige Gebiete der gemäßigten Opposition betrifft, „es verkompliziert auch die militärische und vor allem die politische Lage“. Stoltenberg rief Russland dazu auf, „eine konstruktive Rolle“ bei der Suche nach einer Friedenslösung für Syrien zu spielen.

Mehr als Appelle an Kremlchef Wladimir Putin zu richten, kann die Nato aber offensichtlich nicht. „Wir haben keine wirkliche Strategie“, räumte ein Nato-Diplomat hinter vorgehaltener Hand ein: „Putin versucht ziemlich erfolgreich, Russland wieder als Großmacht zu etablieren – und wir können ihm nur hinterherlaufen.“ Das demonstrative Bekenntnis, die Türkei um jeden Preis zu verteidigen, sei nur eine Ersatzhandlung, weil für Syrien selbst jeder Plan fehle, so der Offizielle. „Ich bin da ziemlich pessimistisch“, fügte er an.