Die türkisch-islamische Gemeinde an der Feuerbacher Mauserstraße möchte bauen – eine größere, repräsentative Moschee, mehrere Sozialräume und ein Seniorenheim. Letzteres dürfte schwierig werden.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Auf seinem Schreibtisch stehen vier Fähnchen dicht beeinander: das der Türkei und das Deutschlands, die Europaflagge und das Emblem der türkisch-islamischen Union Ditib. An der Rückwand hängt ein Bild von Mustafa Kemal Atatürk. Der Begründer der modernen, laizistischen Türkei schaut ernst über die schwarzen Sofas und den Konferenztisch in das langgezogene Büro.

 

Ismail Cakir greift nach seinem Smartphone, schon wieder ruft jemand an. Der Vorsitzende der Feuerbacher Yeni-Camii-Moscheegemeinde, der größten Stuttgarts, hat gut zu tun. Der 58-Jährige, der in Bad Cannstatt ein Geschäft für Geschenkartikel und Haushaltswaren betreibt, ist 1972 von Trabzon, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer, nach Deutschland gekommen. „Haben Sie noch nie von Trabzon gehört?“, will er von dem Fragenden wissen. „Kürzlich hat unsere Fußballmannschaft 2:0 gegen Galatasaray gewonnen – in Instanbul“, freut sich Ismail Cakir. „Das war eine große Sache.“

Zurzeit sind die Verhältnisse nicht besonders ansprechend

Auch er und seine Kollegen vom Vorstand des türkisch-islamischen Zentrums an der Mauserstraße haben Großes vor. „Hier soll ein modernes Quartier entstehen“, sagt Cakir. Gegenwärtig sind die Verhältnisse in dem an der Bahnlinie gelegenen Industriegebiet nicht eben ansprechend. Die Moschee liegt etwas zurückgesetzt in einem alten, eingeschossigen Gewerbebau, um einen Innenhof gruppieren sich ein Lokal und Freizeiträume. Davor befindet sich das zweigeschossige Vereinsgebäude der Moscheegemeinde mit Büros und Veranstaltungsräumen. Entlang der Mauserstraße bieten zwei große Bäckereien mit Restaurant sowie diverse andere Läden und Reisebüros ihre Dienste an. Im Volksmund wird das Areal auch „Kleinistanbul“ genannt.

1992 hat die Gemeinde das Grundstück, auf dem sich die Moschee und das Restaurant Metropole befinden, gekauft. Jetzt, da sich die Finanzen des mehr als 600 Mitglieder zählenden und wieder wachsenden Vereins gefestigt haben, will der Vorstand Neues anpacken. Der bis zu 1200 Personen fassende Gebetsraum ist zu klein, zum Freitagsgebet kommen durchaus einmal 2000 Gläubige, an hohen Feiertagen noch mehr. Dann müssen auch verschiedene Veranstaltungsräume genutzt werden.

Eine etwas größere, repräsentative Moschee mit 1500 Plätzen soll in einem ersten Bauabschnitt entstehen, mit Sozialräumen und zusätzlichen Stellflächen. In einem zweiten Schritt ist ein neues Verwaltungsgebäude mit weiteren Vereinsräumen und einem Seniorenheim vorgesehen. Danach könnte man diese Projektelemente durch einen weiteren Bauabschnitt ergänzen.

Gemeinde möchte für mehr für die Jugendarbeit tun

„Wir brauchen vor allem viel mehr Sozialräume“, sagt Ismail Cakir, für die Frauen der Gemeinde und für die Jugendarbeit. Es gehe nicht so sehr um das Koranlesen, sondern um Räume zum Beispiel für Musikkurse oder Volkstanzgruppen, erklärt der Vorsitzende. „Unser Verein ist sehr kulturell eingestellt.“ Vor allem die Jugendarbeit liege dem Verein am Herzen. So denke man daran, künftig verstärkt auch Nachhilfe für Schüler und Auszubildende anzubieten. „Die jungen Leute brauchen eine gute Ausbildung, dass sie nicht auf der Straße landen“, sagt der Einzelhändler.

Es gibt auch schon Vorstellungen, wie das neue Gebäudeensemble an der Mauserstraße aussehen könnte. Die ansprechende Computerdarstellung aber will Ismail Cakir nicht herausgeben. Das Minarett sei auf dieser doch etwas zu hoch geraten. „Das würde man ja bis nach Bad Cannstatt sehen“, sagt er in bewusster Übertreibung und lacht.

Ein erstes Treffen mit den Stadtplanern der Verwaltung hat es gegeben. Bis jetzt liege nur eine „grobe Skizze“ vor, sagt Karl-Theo Maurer von der Planungsabteilung. Grundsätzlich seien an der Stelle aber „kirchliche Einrichtungen zulässig“, dem Moscheebau stehe „im Grundsatz nichts entgegen“. Nur aus dem Seniorenheim dürfte wohl nichts werden, nicht nur aus planungsrechtlichen Gründen. „Wohnen ist an der Stelle nicht vorstellbar“, sagt Karl-Theo Maurer. „Da ist überall Industie drumrum, da ist richtig was los.“

Die Reaktionen im Bezirk auf das Vorhaben sind positiv

Auch im Bezirk sind die ersten Reaktionen auf das Vorhaben positiv. Angesichts der vielen Besucher und der baulichen Verhältnisse sei die Situation der Moschee derzeit „nicht optimal“, sagt Feuerbachs Bezirksvorsteherin Andrea Klöber. Einer Verbesserung stehe sie aufgeschlossen gegenüber. „Wenn die Gemeinde etwas Repräsentatives bauen will – warum nicht“, findet Klöber. „Die Moschee gehört zu Feuerbach, und die Gemeinde entwickelt sich gut.“

Trotz der Rückendeckung wird die Projektentwicklung noch Zeit brauchen. „Wir müssen ein richtig gutes Projekt machen“, sagt Ismail Cakir. Die sechs bis sieben Millionen Euro, die der erste Bauabschnitt wohl kosten wird, müssen komplett durch Spenden finanziert werden. „Nur wenn die Leute uns vertrauen und an das Projekt glauben, helfen sie uns auch“, sagt der 58-Jährige. Wenn dies aber der Fall sei, ist er überzeugt, werde viel Geld zusammenkommen. „In Stuttgart leben 37 000 türkische Muslime“, sagt Cakir. „Wenn uns nur die Hälfte unterstützen würde, wäre viel geschafft.“