Die Türkei ist in der Krise, Präsident Erdogan hat den Ausnahmezustand verhängt. Viele Menschen mit türkischen Wurzeln erleben Spannungen - auch vor ihrer Haustür in Stuttgart. Die Sunniten: In der Mauserstraße in Feuerbach stehen die Menschen voll hinter ihrem Präsidenten.

Stuttgart - In der Mauserstraße in Stuttgart-Feuerbach herrscht wenige Tage nach dem Putschversuch in der Türkei nicht so viel Trubel wie sonst. Für viele der hier einkaufenden Deutschtürken geht es von kommender Woche an, wenn die Sommerferien starten, in die Türkei. Der gescheiterte Putschversuch, der die türkische Regierung und Präsident Recep Tayyip Erdogan stürzen sollte, ist noch sehr präsent in den Köpfen der Menschen. Viele haben eine deutliche Meinung dazu und wissen viel zu erzählen, wollen aber nicht unbedingt in den Medien erscheinen.

 

Nur wenige sind bereit dazu – und nur unter der Bedingung, dass ihr richtiger Name nicht in der Zeitung erscheint. Einer von ihnen ist Metin K., der gerade mit mehreren Einkaufstüten in der Hand den Hak-Verdi-Supermarkt verlässt. Die Familie des 46-Jährigen lebt zum Großteil in Ankara, entsprechend war der versuchte Putsch von Freitag auf Samstag ein „Schock“ für ihn, wie er erzählt. „Mein Schwager hat mich angerufen und berichtet, dass sie Schüsse gehört haben und Hubschrauber über der Stadt kreisen“, sagt Metin K. Bis tief in die Nacht hinein habe er im Fernsehen die Vorgänge verfolgt und habe erst einschlafen können, als der Putsch als zerschlagen gegolten habe.

Nicht alles gut, was Erdogan macht

Er selbst ist deutscher Staatsbürger und steht somit politisch gesehen mit der Türkei nicht mehr direkt in Verbindung. „Aber es tut immer noch weh zu sehen, wie das Land beinahe zerbrochen wäre“, sagt er. Er finde nicht alles gut, was Erdogan macht. „Aber seitdem er die Fäden zieht, geht es dem Land so gut wie noch nie – die Menschen in der Türkei verdanken Erdogan viel“, erklärt Metin K., der einen Teil seiner Kindheit in der Türkei verbracht hat. Derselben Meinung sind die beiden 29-jährigen Emre S. und Tolga M., die in ihrer Mittagspause in der Bäckerei Metropole sitzen. „Es gibt momentan keinen Politiker, der das Land besser führen könnte als Erdogan“, meint Emre S. Die mehreren Zehntausend Menschen, die Erdogan über ein Smartphone dazu aufrief, auf die Straßen zu gehen und gegen den Putsch zu protestieren, sind für ihn ein Beleg dafür, wie viele hinter ihm stünden. Beeindruckt sei Emre S. gewesen, wie sich die anderen Parteien, sogar die pro-kurdische HDP, hinter Erdogan stellten. „Das zeigt, dass das Land, obwohl es immer wieder von inneren Kämpfen geplagt wird, in Krisenzeiten zusammenhalten kann“, sagt er.

Für nicht haltbar erachten die Freunde den Verdacht, dass der Putsch von Erdogan selbst inszeniert sein könnte, um seine Macht weiter auszubauen. „Wie hätte er sicher sein können, dass die Menschen auf die Straße gehen?“, fragt Tolga M. „Ohne die protestierenden Menschen hätte Erdogan den Putsch vielleicht nicht verhindern können.“ Zur Todesstrafe, welche die türkische Regierung wieder einführen will, um die Putschisten zu bestrafen, sagt Tolga M.: „Das ist überzogen.“ Er fügt hinzu: „Das sagt sich von hier aus natürlich leicht. Aber ich will nicht wissen, wie es sich anfühlt, bei diesem sinnlosen Putsch einen Verwandten oder Freund verloren zu haben.“

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Schwarze Türken

Islamisch geprägte Türken anatolischer Herkunft werden als „schwarze Türken“ bezeichnet.Von der säkularen Elite fühlten sie sich bis zur Wahl Recep Tayyip Erdogans im Jahr 2002 an den Rand gedrängt. In der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) sehen sie ihre Interessensvertretung. Erdogan selbst bezeichnet sich als schwarzen Türken. Viele Türken aus ärmeren Landesteilen machten sich auf in die Arbeitsmigration nach Deutschland. Gerade religiösen türkischen Verbänden in Deutschland, wie dem Moscheeverband Ditib, wird eine Nähe zur AKP nachgesagt.