Die Reise einer Delegation aus Stuttgart-Birkach und Stuttgart-Plieningen nach Izmir wäre heute wohl eine Debatte wert, vielleicht sogar zum Politikum geworden. Doch die 2010 forcierte Freundschaft zwischen den beiden Bezirken und der Türkei ist eingeschlafen.

Birkach/Plieningen - Die Berichte klingen heute wie aus einer anderen Zeit. Schüler des Paracelsus-Gymnasiums begleiteten im Jahr 2010 den damaligen Bezirksvorsteher von Plieningen und Birkach, Edgar Hemmerich, und einige Bezirksbeiräte in den Izmirer Stadtteil Gaziemir. Beim Abschied von ihren Gastfamilien hätten viele Kinder Tränen in den Augen gehabt, berichtete damals eine Lehrerin.

 

Die Politiker verschiedener Bezirksbeiratsfraktionen besuchten örtliche Betriebe, die etwa für die Raumfahrtindustrie produzierten und mitten im türkischen Wirtschaftsboom gerne bereit waren, ihre Fühler nach Stuttgart auszustrecken. Der CDU-Bezirksbeirat Hansjörg Peters und Alexander Brecht von der FDP schwärmten nach der gemeinsamen Reise vom europäischen Flair der Millionenstadt – obwohl zumindest Peters’ Partei schon damals die Türkei nicht als Teil Europas sah.

Heute wäre die Reise wohl umstritten

Sieben Jahre später erscheinen die Beziehungen zwischen den Nato-Partnern Türkei und Deutschland so vergiftet, dass die Reise einer Stuttgarter Delegation nach Izmir wohl eine Debatte wert wäre, vielleicht sogar zum Politikum würde.

Wäre es nach dem Willen des damaligen Bezirkschefs Edgar Hemmerich gegangen, könnten Plieningen, Birkach und Gaziemir in den heute so stürmischen Zeiten eine Bühne für Kontakte bieten. Hemmerich hatte die Partnerschaft zwischen den Stuttgarter Bezirken und dem Stadtteil von Izmir forciert.

Bezirksbeiräte standen hinter dem Vorhaben

Die Bezirksbeiräte, die bereits 2010 in dem Gremium saßen und zum Teil auch mit in die Türkei gereist waren, bezeichnen die Partnerschaft mit Gaziemir auch heute noch als Steckenpferd des damaligen Bezirkschefs. Hemmerich sei stets der Türkei sehr verbunden gewesen, heißt es. „Wir waren damals alle für das Projekt“, betont Alexander Brecht. Der Liberale ist heute stellvertretender FDP-Bezirksbeirat.

Ihn hatte damals beeindruckt, dass die Türken sich so für Plieningen und Birkach interessiert haben. „Wir haben ja kein so tolles Programm für unsere türkischen Gäste auf die Beine stellen können wie sie umgekehrt für uns“, sagt er.

Bedauern über das Einschlafen des Projekts

Zwar sei Gaziemir sehr urban gewesen. Dennoch findet Brecht nicht, dass Plieningen und Birkach deshalb die falschen Partner gewesen wären. 2010 habe sich das gut ergänzt, meint er. „Schade, dass da nichts draus geworden ist. Das wäre herrlich geworden“, meint er.

Die heutige Bezirksvorsteherin Andrea Lindel bezeichnet das Thema Partnerschaft mit der Türkei schon lange als erledigt. Die Stadt Stuttgart habe vor Jahren klargestellt, dass sie weitere Partnerschaften von Bezirken mit Gemeinden im Ausland nicht wünsche und dafür auch kein Geld zur Verfügung stellen werde. 5000 Euro gibt es aus dem städtischen Budget für solche Partnerschaften. Vaihingen, Feuerbach und Bad Cannstatt pflegen sie unter anderem mit Ungarn und Frankreich.

Lindel übernahm 2013 die Geschäfte von Edgar Hemmerich. Sie habe das Projekt nicht weiter vorangetrieben, weil sie andere Schwerpunkte setzen wollte, sagt sie. Außerdem, dass Plieningen und Birkach nicht zu dem großstädtischen Gaziemir gepasst hätten.

Könnte eine solche Partnerschaft wenigstens nützlich sein angesichts des heute angespannten Verhältnisses zur Türkei? Lindel sieht das nicht so. „Plieningen und Birkach werden sicher nicht die Weltgeschichte retten“, sagt die Bezirksvorsteherin.

Hemmerich erinnert sich gern an seinen Amtskollegen

Ihr Vorgänger, Edgar Hemmerich, ist sich sicher, dass die Partnerschaft zwischen Birkach, Plieningen und Gaziemir heute noch bestehen würde, wäre er im Amt geblieben. „Es liegt ja immer an den Akteuren, und bei mir war das Chefsache“, meint der heutige Erste Bürgermeister von Schorndorf. Er erinnert sich gern an die enge Zusammenarbeit mit seinem damaligen türkischen Kollegen, einem Politiker der oppositionellen Republikanischen Volkspartei. Es habe auf beiden Seiten ein großes Interesse aneinander gegeben. „Schade, dass sich die Kontakte auch persönlich verlaufen haben“, meint er.

Hemmerich ist der Meinung, dass eine solche Partnerschaft im Kleinen durchaus einen nützlichen Beitrag zur Verständigung in der Krise hätte leisten können. „In jedem Fall ist es hilfreich, wenn Menschen sich begegnen und voneinander lernen.“