Der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Rheinstetten sorgt für Jubel bei mehr als 14.000 Anhängern. Auch seine Gegner sind lautstark und zahlreich.

Rheinstetten - Die Straße ist wie ein Graben. Am Ort des Geschehens, vor der DM-Arena in Rheinstetten bei Karlsruhe, versammeln sich die Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie schwenken Fahnen mit seinem Abbild. Auch rote türkische Fahnen wehen im Wind. Von jenseits der viel befahrenen Straße dringen laute Pfiffe herüber. Dort haben sich Erdogans Gegner versammelt.

 

Die Straße ist symbolisch für den Graben, der die zumeist türkisch-stämmigen Einwanderer in zwei Lager teilt, ganz ähnlich wie die Gesellschaft der Türkei. Bei der Präsidentschaftswahl 2014 stimmten fast 52 Prozent der Wähler für Erdogan, immerhin 48 Prozent aber nicht. Gerade nach den Gezi-Protesten 2013 fürchteten viele Türken, er könne das Land in einen Polizeistaat verwandeln. Wer sich auf der Erdogan-Gegner-Seite befindet, bekommt dann auch zu hören: „Erdogan ist ein Faschist“, „Er ist ein Diktator“. Auf einem Banner steht: „Stoppt den Erdowahn“.

Es ist die Alevitische Gemeinde Deutschland, die zu dem Protest aufgerufen hat. Aleviten sind eine schiitische Minderheit, die früher in der Türkei viel Diskriminierung erfahren hat. Noch heute beschweren sich Aleviten über mangelnde Gleichberechtigung. Doch es haben sich auch linke und kurdische Gruppen den Gegendemonstranten angeschlossen.

Der Präsident mache Wahlkampf, sagen Kritiker

„Es geht nicht, dass Erdogan hierher kommt und Wahlkampf betreibt“, sagt Mustafa Dogan von der Alevitischen Gemeinde. „Das verbietet die türkische Verfassung.“ Am 7. Juni finden in der Türkei Parlamentswahlen statt. Die Auslandstürken dürfen bereits seit Sonntag wählen.

Erdogan kommt also pünktlich zu Wahlbeginn nach Rheinstetten. Seine Partei, die islamisch-konservative AKP, betont allerdings, dass dies nichts mit Wahlkampf zu tun habe. Erdogan wolle sich nur bei seinen Anhängern für die Unterstützung im Präsidentschaftswahlkampf bedanken. Das glauben ihm die Gegner nicht. „Gerade, dass sich Erdogan nicht an die Verfassung hält und hier Wahlkampf macht, zeigt doch, er hat mit der Türkei etwas anderes als Demokratie im Sinn“, meint Ayse Egilmez von der Zeitung Alinteri. „Erdogan provoziert einen Bürgerkrieg. Sunniten gegen Aleviten, Türken gegen Kurden. Religiöse gegen Anhänger des Säkularismus.“ Hinter ihr stimmen die rund 3000 Demonstranten die Internationale an.

Die Anhänger des Präsidenten schätzen ihn anders ein. „Dank Erdogan ist der kranke Mann am Bosporus wieder gesund“, sagt Koral Öncer, der in Mannheim eine Bäckerei betreibt. „Er hat das Land wirtschaftlich auf eine gute Basis gestellt.“ Tatsächlich hat sich das Pro-Kopf-Einkommen in Erdogans Ära als Premier verdreifacht. Öncer betont aber auch: „Wir wollen keinen Putin-Staat. Wir wollen den Weg zur Demokratie weitergehen.“

Das Pro-Erdogan-Publikum ist bunt gemischt. Es ist auf Einladung der AKP-nahen Union der Europäisch-Türkischen Demokraten gekommen. Als Anhänger der kurdischenArbeiterpartei PKK die Straße zu den Erdogan-Fans überwinden, kommt es zu einer Rangelei mit der Polizei. Es gibt mehrere Verletzte. Die Polizei nimmt zwei Teilnehmer der Versammlung fest.

Der Jubel ist groß, als Erdogan mit Verspätung in der Halle eintrifft. 14000 Menschen schwenken Fahnen, klatschen und jubeln. „Wir lieben dich, wir sind stolz auf dich“, rufen sie in Sprechchören. „Die Wahlurne ist eure Waffe“, ruft er der Menschenmenge zu, ohne direkt dazu aufzufordern, seiner Partei AKP die Stimme zu geben. Wie seine Redner vor ihm, hebt er hervor, wie positiv sich die Türkei seit seiner Machtübernahme entwickelt hat. Es seien Straßen gebaut worden, die Lebensqualität in den Städten habe sich verbessert. Der Saal jubelt. Auch als Erdogan die Türkischstämmigen in Deutschland auffordert, sich zu integrieren, zugleich aber die Werte, die Sprache und die Religion der Heimat zu bewahren. Erdogan ist mit seiner Rede noch nicht zu Ende, da machen sich die Gegendemonstranten bereits auf den Heimweg.