Passend zur anstehenden Abstimmung über das Präsidialsystem in der Türkei verherrlicht ein Spielfilm den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. „Reis“, auch in deutschen Kinos zu sehen, zeigt einen makellosen Helden.

Istanbul - Spielfilme über politische Führer werden selten gedreht, bevor diese gestorben und zur Legende geworden sind. Nun kommt schon zu Lebzeiten ein Film über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in die Kinos. „Reis“ heißt das Werk, was so viel wie „Chef“ oder „Boss“ bedeutet und die Bezeichnung ist, die Erdogans Anhänger für den Mann gebrauchen, den sie wie einen Propheten verehren und der die Türkei wie kein anderer seit Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk geprägt hat. Auch wenn der Präsident selbst den Streifen nicht in Auftrag gab, so passt er doch gut in seinen politischen Kalender. Am 16. April stimmen die Bürger der Türkei über das exekutive Präsidialsystem ab, mit dem Erdogan seine De-facto-Allmacht auch juristisch legitimieren will. Passend dazu ist „Reis“ im In- und Ausland angelaufen.

 

Reha Beyoglu und Özlem Balci, die Erdogan und seine Ehefrau Emine verkörpern, waren bislang vor allem aus türkischen Soap-Operas bekannt. Der neununddreißigjährige Reha Beyoglu könnte ein Doppelgänger des frühen Erdogan sein. Er habe auch denselben Geschmack bei Kleidung und Haartracht, bestätigt der gelernte Theaterschauspieler, und zählt weitere Gemeinsamkeiten auf: Wie Erdogan stammt er vom Schwarzen Meer, spielte als Junge gern Fußball, wuchs in einer konservativen Familie auf. „Ich betrachte es als Ehre, den Menschen Nummer eins der Türkei spielen zu dürfen“, sagt Reha Beyoglu.

Kämpfe und Entbehrungen

Die Filmbiografie konzentriert sich auf Episoden, die aus der Erdogan-Hagiografie gut bekannt sind. „Wir zeigen, dass er schon damals genauso war wie heute“, erklärt Reha Beyoglu. Die Kindheit mit der verzweifelten Reaktion des Vaters auf die Hinrichtung des ersten islamistischen Ministerpräsidenten Adnan Menderes 1961 kommt vor, die Liebe zum Fußball, die Hilfsbereitschaft des jungen Erdogan. „Nachdem er jahrelang für ein Fahrrad gespart hatte, hat er alles Geld einem Freund gegeben, der es nötig hatte“, sagt Reha Beyoglu.

Der Film springt dann ins Jahr 1994, als Erdogan zum Oberbürgermeister Istanbuls gewählt wird, zeigt die Kämpfe und Entbehrungen, bis er 1999 wegen „Volksverhetzung“ ins Gefängnis muss, weil er ein Gedicht zitiert, das Opponenten bis heute für sein politisches Credo halten: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“

Reha Beyoglu erzählt, wie er den Protagonisten anlegte: furchtlos, todesmutig, ein geborener Anführer, der immer alles richtig macht, seine Versprechen stets einhält und nie an sich zweifelt. Werden denn gar keine Schwächen des „Chefs“ gezeigt, vielleicht sein bekannt aufbrausendes Wesen? Beyoglus Antwort ist knapp: „Er hat keine Schwächen!“

Eine Frau, die den Rücken freihält

Etwa acht Millionen Dollar soll „Reis“ gekostet haben, viel Geld für eine türkische Produktion. Gedreht wurde in Istanbul und Zypern, etwa 3000 Komparsen wurden aufgeboten, Regie führte Hudaverdi Yavuz, der bisher fürs türkische Staatsfernsehen TRT arbeitete. Beyoglu versichert, der Präsident habe nicht den geringsten Einfluss auf das Drehbuch genommen. „Er hat überhaupt erst von dem Film erfahren, als wir ihn schon fast ganz abgedreht hatten.“ Mag sein – allerdings wurde zuvor in den türkischen Medien breit über das anstehende Filmprojekt berichtet.

Özlem Balci scheint sich anders mit ihrer Rolle zu identifizieren. „Nur weil ich Emine Erdogan spiele, muss ich ihre Ansichten nicht teilen“, sagt sie. Sie habe die Präsidentengattin auf Empfängen mehrfach kurz getroffen, dabei aber mit ihr nicht über den Film gesprochen. „Die Zeit war viel zu kurz dafür.“ Ihren Part habe sie nach ihrem persönlichen Eindruck von der First Lady angelegt. Sie zeige, wie Emine Erdogan ihrem Mann den Rücken für seinen Aufstieg freihielt. „Wie sie ihn in schweren Zeiten unterstützte.“

Richtig für die Karriere

Balci, die Politikwissenschaft studiert hat, lacht viel und trägt ihr Haar offen – was zur Frage einlädt, ob es schwer war, sich in Emine Erdogan hineinzufühlen, die stets mit Kopftuch auftritt und immer sehr streng wirkt. „Aber nein“, sagt die sorgfältig geschminkte Zweiunddreißigjährige. In Rollen zu schlüpfen sei schließlich ihr tägliches Brot. Andererseits weiß sie natürlich, dass der Film umstritten sein wird. „Wer Erdogan nicht mag, wird auch den Film nicht mögen.“ Einige Bekannte hätten sich von ihr abgewendet, nachdem sie engagiert wurde. „Doch ich habe entschieden, das ist richtig für mich und meine Karriere.“

Erdogan hat seine öffentliche Biografie stets sorgfältig kontrolliert. Das Beharren der Filmleute, dies sei ein „biografischer, kein politischer Film, schon gar kein Propagandafilm“ kollidiert dann zwangsläufig mit der Erwartung, wenigstens saftige Episoden aus dem Privatleben gezeigt zu bekommen. Doch „Reis“ enthält weder Liebesszenen noch ehelichen Streit oder wenigstens scheue Küsse. „Yok, yok, yok – nein, nein, nein“, sagt Özlem Balci und wedelt lachend mit dem Zeigefinger. „Das geht doch gar nicht!“ Der quasi-offizielle Charakter des Films lasse zu viel Menscheln gar nicht zu.