In Ulm hat ein Verein beantragt, ein privates Gymnasium eröffnen zu dürfen. Die Initiatoren sind zwei Brüder türkischer Abstammung. Sie sollen der Gülen-Bewegung nahestehen, heißt es. Die Stadt ist wenig begeistert.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Pläne eines Vereins mit dem Namen Bildungsinitiative Blautal e.V. sorgen in Ulm für Irritationen. Der Verein hat beim Regierungspräsidium Tübingen den Antrag gestellt, zum Beginn des nächsten Schuljahres ein Gymnasium in Betrieb zu nehmen. Die Initiatoren sollen nach Medienberichten Anhänger der Gülen-Bewegung sein. Dagegen regt sich Widerstand. So sagt beispielsweise der Ulmer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Rivoir, es müsse verhindert werden, „dass es ethnische Gymnasien gibt“. Hinter der Gülen-Bewegung stehe „eine Struktur, die äußerst besorgniserregend ist“.

 

Die Gülen-Bewegung, angeführt von dem türkischen Prediger Fethullah Gülen, nennt sich auch „Hizmet“ (Dienst am Nächsten) und steht gegen die Regierungspartei AKP von Staatspräsident Erdogan. Gülen-Anhänger betreiben weltweit Bildungseinrichtungen, davon gut 20 in Deutschland. Kritiker werfen ihr vor, ideologisch motiviert und intransparent zu sein. Das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz stellte in einem Bericht vom Juli 2014 fest: „Die Widersprüchlichkeit des nach außen hin säkularen Auftretens der Gülen-Bewegung und der fehlenden Transparenz bezüglich des nach innen gelebten Islamverständnisses der Bewegung spiegelt sich in der defensiven Haltung der Protagonisten der Bewegung angesichts konkreter Nachfragen zu komplexeren Fragestellungen, bis hin zur Negierung einer Verbindung zu Gülen und dessen Ideen“. Solches Abstreiten, so die Verfassungsschützer, erscheine als ein „taktisches Mittel“. Da jedoch keine Hinweise zu finden seien, dass die Gülen-Bewegung anstrebe, „die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen“, gebe es keine Rechtsgrundlage für eine Beobachtung.

Antrag wird geprüft

Nach Auskunft eines Sprechers des Regierungspräsidiums Tübingen wird der Antrag aus Ulm aktuell noch geprüft. Der Schulträger müsse nachweisen, dass genügend qualifizierte Lehrkräfte mit Hochschulstudium bereit stünden. Sämtliche baulichen Voraussetzungen, von den Schulräumen über Physik- und Chemieräume bis zu Sportanlagen müssten gegeben sein. Die Initiatoren hätten ihre persönliche Eignung durch Vorlage polizeilicher Führungszeugnisse nachzuweisen, so der Sprecher. Im persönlichen Gespräch werde die Treue zur deutschen Verfassung abgeklopft, beispielsweise durch Fragen nach dem Geschlechterverständnis. Es hätten die Lehrpläne des Kultusministeriums zu gelten. Fördergelder des Landes gebe es, wie bei Privatgründungen üblich, vor Ablauf von drei Jahren und weiterer Betriebsprüfungen während dieser Zeit, nicht.

Die Genehmigung des Privatgymnasiums könnte kurz bevorstehen, denn viele Fragen sind beantwortet. Das berichtet jedenfalls der als „Schulleiter“ benannte Ulrich Schmidt-Arras. Er ist 2009 als Lehrer des Ehrenbürg-Gymnasiums (Deutsch, Geografie, Geschichte) im bayerischen Forchheim pensioniert worden. Das Ulmer Gymnasium, sagt er, hätte schon 2015 starten sollen, die Genehmigung sei aber „wegen kleiner handwerklicher Fehler“ verwehrt worden. Alle Unklarheiten seien jetzt ausgeräumt.

Räume offenbar fast fertig

Die Bildungsinitiative ist Mieterin eines früheren Betriebsgebäudes des Ulmer Ebner-Verlages in der Karlstraße. Dort sind die Räume für das Gymnasium offenbar fast fertig gebaut. „Auch die Tafeln hängen schon“, so Schmidt-Arras. Er ist bereits Leiter der 2010 gegründeten privaten Fachoberschule Mesale in Nürnberg. Der Geschäftsführer des dortigen Trägervereins Mesale e.V. heißt Oguzhan Altuntas. Geschäftsführer der Bildungsinitiative Blautal ist dessen Bruder, Ishak Altuntas.

Laut Schmidt-Arras, der wohl nur ein Mann des Übergangs ist und bereits von einem „Nachfolger“ für sich spricht, verfolgt das türkische Brüderpaar ausschließlich das Ziel, die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland zu verbessern. Das geplante Gymnasium solle für Jugendliche da sein, „die in staatlichen Schulen keine Chance hätten – einfach weil die Klassen zu groß sind“. In der Karlstraße sollten maximal 20 Schüler eine Klasse bilden, durch ein „Mentoring“ individuelle sprachliche oder familiäre Probleme abgemildert oder bewältigt werden. Die Schulbeiträge würden „abhängig vom Einkommen der Eltern“ gestaffelt werden. Das Gymnasium stehe auch deutschen Kindern offen. Als interkulturelle Schule wolle der Trägerverein das Gymnasium aber nicht verstanden wissen.

Unbekannt ist, woher das Geld stammt, mit dem das Gymnasium gebaut wurde und wer die Geldgeber sind. Schmidt-Arras spricht von Spendenbeiträgen „erfolgreicher türkischer Mitglieder“. Der Name Gülen habe, so weit er das mitbekomme, nie eine Rolle gespielt. Zugleich räumt er ein: „Ich kenne die Vereinsmitglieder viel zu wenig, um deren Einstellung beurteilen zu können“. Auf seiner Homepage schreibt Schmidt-Arras in einer „Stellungnahme“ zu einem kritischen Artikel der „Augsburger Allgemeinen“ wiederum: „Richtig ist, dass einige der Träger der Schule als Privatperson Werte von Gülen teilen können, besonders den Gedanken, durch Bildung die Chancen aller auf soziale Teilhabe zu verbessern und Integration zu unterstützen (...).“ Im Gespräch schwärmt der Schulleiter vom Besuch einer Hizmet-Veranstaltung in Frankfurt. Dort sei es „absolut tolerant“ zugegangen. Er selber sei „überzeugter evangelischer Christ“.

Stadt ist nicht begeistert

Die Stadt Ulm ist von den Plänen für das Gymnasium nicht begeistert. Innerhalb der Stadt könne jedes talentierte Kind einen Platz in einem Gymnasium bekommen, es gebe keinen Mangel, sagt der Leiter der Abteilung Bildung und Sport, Gerhard Semler. Ein Vetorecht im Genehmigungsverfahren besitzt die Stadt nicht.

Der SPD-Politiker Martin Rivoir sieht Warnzeichen dafür, dass mit dieser Schulgründung das Gegenteil von Integration bewirkt werden soll: Abschottung. Er nimmt der Gülen-Bewegung nicht ab, dass sie nur Integration wolle. „Das ist eine Masche von denen.“ Von der Landesregierung will Rivoir per parlamentarischer Anfrage nun wissen, welche Informationen es über den Trägerverein Blautal gibt – „insbesondere über dessen Finanzierung und seine Verbindungen zu Vereinigungen und/oder Verbänden“. Begründung: Die Gülen-Bewegung vertrete „ein streng konservatives Islambild, das zum Teil nicht mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar“ sei. Eine Antwort steht noch aus.