Aus Angst vor den hohen Bußgeldern im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung schraubt Wien Klingelschilder ab. In Deutschland können sie hängen bleiben, sagen Datenschützer – und warnen vor Panikmache.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Weil sich in Österreich ein Mieter beschwert hat, werden nun an den Klingelschildern aller städtischen Wohnungen in Wien die Namensschilder entfernt. Begründet worden ist das mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). In Deutschland hat daraufhin die „Bild“-Zeitung das „Klingelschild-Chaos“ ausgerufen. Der Vorsitzende des Eigentümerverbandes Haus und Grund, Kai Wernecke, wird zitiert, es sei besser, wenn die Vermieter die Klingelschilder abschraubten, um nicht mit einem Bußgeld belegt zu werden. Nun schlagen die Datenschutzbeauftragten Alarm.

 

Von „unsinnigen Plänen“ spricht Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Kranig mit Blick nach Wien. Eine Notwendigkeit, Klingelschilder aus datenschutzrechtlichen Gründen abzuschrauben, gebe es nicht. Die Sprecherin der Berliner Datenschutzbeauftragten Jana Schönefeld sieht das genauso. Die Datenschutz-Grundverordnung sei in diesem Fall überhaupt nicht anwendbar.

Datenschützer sieht eine gezielte Kampagne

Noch einen Schritt weiter geht Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter Stefan Brink. Er spricht gegenüber unserer Zeitung von einer „gezielten Kampagne“ interessierter Kreise, um die „Europaskepsis anzufeuern“ oder dem Bürger das Bild einer „staatlichen Gängelung“ zu vermitteln. Man sei Zeuge einer „bewussten Panikmache, um den Datenschutz madigzumachen“.

Die Datenschutz-Grundverordnung gilt seit dem 25. Mai dieses Jahres. Dabei handelt es sich um eine Verordnung der Europäischen Union, mit der die Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen EU-weit vereinheitlicht werden sollen. Dass Namen auf Türschildern personenbezogene Daten sind, ist unstrittig. Allerdings werden diese nach Ansicht der meisten Experten nicht „automatisiert verarbeitet“ – womit das komplizierte juristische Regelwerk keine Anwendung fände.

In Wien steht kein Kulturbruch bevor

In Wien waren die Rechtsspezialisten offenbar anderer Ansicht. Man habe die Frage mit der zuständigen Magistratsabteilung geprüft, sagt Markus Leitgeb, Sprecher von Wiener Wohnen, der mit mehr als 200 000 Einheiten größten kommunalen Hausverwaltung Europas. Daraufhin habe man sich entschlossen, an Stelle der Namen nur noch Wohnungsnummern an die Klingelschilder anzubringen. Gegenüber unserer Zeitung weist Leitgeb jedoch auf einen Unterschied zu Deutschland hin: „In Wien hat mehr als ein Drittel der Bewohner keine Namen an den Türschildern stehen – das ist kein Kulturbruch.“ In Wohnanlagen mit zum Teil mehr als 100 Eingängen sei eine Beschreibung oft auch geschickter als ein Name. Und noch ein Hinweis ist Leitgeb wichtig: „Jeder Mieter ist frei, zu entscheiden, seinen Namen selber anzubringen.“

Darauf verweist auf Nachfrage auch der Eigentümerverband Haus und Grund. Man empfehle nicht, alle Klingelschilder abzuschrauben, sondern die Einwilligung des Mieters zu suchen, sagt Gerold Happ, Mitglied der Bundesgeschäftsführung. „Wir wollen aber eine Klarstellung seitens der Politik, damit den Vermietern keine Nachteile drohen.“

Die DSGVO hat nichts geändert

Für Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragten Brink ist die Rechtslage ohnehin klar. „Durch die Datenschutzgrundverordnung hat sich nichts geändert.“ Der Mieter entscheide, was auf dem Klingelschild stehe. Der volle Name sei ebenso zulässig wie eine Abkürzung oder ein Pseudonym. Auch gar kein Namensschild sei kein Problem: „Es ist ein viel geäußerter Irrtum, dass es eine Verpflichtung dazu gibt.“ Zudem weist Brink darauf hin, dass die Befürchtung, bei einem Verstoß gegen die DSGVO drohten Bußgelder von 20 Millionen Euro, in dieser Form nicht stimmt: „Bußgelder müssen verhältnismäßig sein.“

Form und Format der Klingelschilder könne dann durch die Hausordnung geregelt werden, sagt Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Kranig. Dabei müsse dann auch berücksichtigt werden, ob man der Post oder dem Rettungsdienst das Auffinden der Wohnung erschweren oder erleichtern wolle.