Ende September ist die kulturelle Bespielung der Türlenstraße Geschichte. Nachdem das Staatstheater mit seiner Interimsspielstätte hier für Furore gesorgt hatte, fällt die Bilanz der vergangenen zwei Jahre eher durchwachsen aus.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Gegen den Strich gebürstete Orte sind in Stuttgart Mangelware. Die ehemalige Daimler-Niederlassung an der Türlenstraße war in den vergangenen Jahren solch ein Ort. Als das Staatstheater die Räumlichkeiten als Interimsspielstätte nutzte, als die ehemalige Waschstraße in einen Ort für Lesungen und andere Off-Kultur umgewidmet wurde, gehörte die industrielle Brache zu den spannendsten Flecken der Stadt. Die vergangenen beiden Jahre waren aus kultureller Sicht dagegen eher von bescheidenem Erfolg gekrönt. Ende September verabschiedet sich die Zwischennutzung daher konsequent nicht mit einem großen Knall, sondern eher sang- und klanglos. Am 30. September muss die Türlenstraße besenrein übergeben werden. Der Besitzer der Immobilie, der Verband Südwestmetall, will im Oktober mit dem Abriss des Objekts beginnen.

 

Das findet Oliver Scholz jammerschade. Der Architekt wollte gemeinsam mit Giovanni Atria in den vergangenen beiden Jahren die Brache in die Kulturniederlassung verwandeln und ist heute eher desillusioniert. „Die Stadt hätte das Gebäude seinerzeit aufkaufen müssen, um den Ort als alternative Spielfläche, als Kontrapunkt zu Stuttgart 21 zu sichern“, sagt Scholz. Der Veranstalter hadert immer noch mit der Tatsache, dass die Stadt seinen Antrag auf Nutzungsänderung des ehemaligen Autohauses abgelehnt hat. So konnte Scholz nur Einzelveranstaltungen an der Türlenstraße organisieren, eine dauerhafte Bespielung kam nicht zustande. „Die Zwischennutzung lief am Ende eher auf Sparflamme, zuletzt hatten wir ein Tanzfestival, die Dekumo und den Street Food Market“, so Scholz. Der Architekt hätte sogar noch zwei weitere Events an der Türlenstraße veranstalten können. Für eine Abrissparty oder ähnliches fehle ihm aber die Motivation.

Keine Abrissparty an der Türlenstraße

Eine Abrissparty wäre wohl auch nicht im Sinne von Marc Hug gewesen. Der Betreiber der legendären Filmgalerie 451 ist immer noch Mieter an der Türlenstraße. Gemeinsam mit Thorsten Schulz von Rockhaus Entertainment (siehe auch nebenstehendes Interview) will Hug dafür sorgen, dass alle Mieter das Gebäude ordentlich verlassen. „Es darf hier kein zweites Filmhaus oder Rocker 33 geben, schließlich sind wir auf der Suche nach einem Folgeobjekt, an dem wir wieder Proberäume und Kultur verwirklichen können“, sagt Marc Hug. Hug spielt mit dem Verweis auf das Rocker 33 auf das Ende der Zwischennutzung des Filmhauses an der Friedrichstraße an, als sich Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) als Retter aller Raver stilisieren musste, um die Wogen zwischen dem Immobilienbesitzer und den Zwischenmietern zu glätten.

„Für uns steht der geordnete Rückzug jetzt über allem“, sagt Marc Hug. „Am 30. September ist die Bude wie versprochen leer.“ Was aus seiner veritablen DVD-Sammlung wird, steht noch in den Sternen. Hug hat die filmische Seele der 451 in sein Büro an der Türlenstraße hinübergerettet. Momentan lässt er den Bestand schätzen, weil es einen Kaufinteressenten gibt. „Ich würde die Sammlung gerne irgendwie in Stuttgart halten. Wenn es aber einen Käufer von außerhalb gibt, kann ich nicht nein sagen“, so Hug weiter.

Die Mieter suchen ein Nachfolgeobjekt

Marc Hug sucht nun gemeinsam mit den verbliebenen Mietern nach einem Nachfolgeobjekt für die Türlenstraße. „Wir brauchen eine Fläche für unsere KFZ-Bastler von rund 1200 Quadratmetern und wir benötigen jede Menge Proberäume und Büros für die Kreativen“, so Hug. Der Kulturschaffende glaubt nicht, dass es solch eine Multifunktionsfläche in Stuttgart in absehbarer Zeit gibt, sodass die einzelnen Mieter wohl alle auf eigene Faust suchen müssten. „Zumal die Suche nach Raum für Flüchtlinge gerade zurecht Vorrang hat“, ergänzt Marc Hug. Auch die Türlenstraße dient seit wenigen Tagen als Kurzzeitunterbringung für Flüchtlinge, die am Hauptbahnhof ankommen. „Bis zum 30. September stehen bei uns rund 140 Feldbetten für Flüchtlinge bereit“, sagt Volker Steinmaier, Geschäftsführer Kommunikation von der Südwestmetall. „Über den Winter wollen wir das Gebäude dann vollständig abreißen, sodass im Frühjahr 2016 mit dem Neubau begonnen werden kann.“ Steinmaiers Fazit zur kulturellen Zwischennutzung fällt übrigens auch nur mitteleuphorisch aus: „Im Großen und Ganzen lief es okay.“