Nach der Atomkatastrophe in Japan ist der Kurs des Konzerns massiv in die Kritik geraten. RWE-Chef Großmann ging zum Angriff über.
Essen - Stürmische Zeiten für Jürgen Großmann: Nach der Atom-Katastrophe von Japan ist der Chef des Essener Energieriesen RWE so heftig in die Kritik geraten wie kein anderer seiner Manager-Kollegen. Bei der RWE-Hauptversammlung musste sich Großmann als „Rambo“ und „Dinosaurier“ beschimpfen lassen, einige forderten ihn gar zum Rücktritt auf.
Der Zwei-Meter-Mann zeigte sich unbeeindruckt. Er will an seinem eingeschlagenen Atomkurs festhalten. „Wir betreiben Kernkraftwerke. Und dazu stehen wir!“, betonte der RWE-Chef demonstrativ vor den mehr als 5000 am Mittwoch zu dem Aktionärstreffen in der Essener Grugahalle angereisten Anteilseignern.
Der Manager hält sich strikt an sein Redemanuskript
Von den Protesten der lautstarken Kernkraftgegner wollte er sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Der Manager hielt sich strikt an sein Redemanuskript, musste aber hier und da neu ansetzen. Als er den Aktionären zurufen wollte, dass sie vom erfolgreichen Abschneiden des Konzerns profitierten, sprach er stattdessen versehentlich von einem „erfolgreichen Abschalten“ - und erntete Lacher statt Proteste. Ob ihn die oft auch persönlich gefärbten Angriffe auf die Atompolitik des Konzerns getroffen haben, bleibt das Geheimnis des sonst oft auch temperamentvoll auftretenden Managers.
Bedauern äußerte er lediglich für rund 2000 im Bereich Kernkraft arbeitende RWE-Mitarbeiter, die „massiv öffentlich angefeindet“ würden. In einem Rede-Marathon mit weit über 30 angemeldeten Beiträgen wurden die kontroversen Positionen aus den Reihen der RWE-Aktionäre deutlich. Plastik-Dinosaurier wurden auf das Rednerpult gestellt, um die Forderung nach einem Atomausstieg zu unterstreichen. Redner warfen dem Manager vor, sein Bauchgefühl wichtiger zu nehmen als die Fakten und forderten den Rücktritt des RWE-Chefs.
Dem vorzeitigen Ausstieg erteilt Großmann eine Absage
„Schlingerkurs zwischen Kernschmelze und Klimakatastrophe“
Eine Aktionärin hielt Großmann einen „Schlingerkurs zwischen Kernschmelze und Klimakatastrophe“ vor. Andere Aktionärssprecher begrüßten den von dem Essener Konzern eingeschlagenen strikten Atomkurs ausdrücklich. Für alle Reden legte Aufsichtsratschef Manfred Schneider schließlich einen Sieben-Minuten-Takt fest. Mit dem Auslaufen seines Vertrags Ende September 2012 will sich Großmann auch von seinem Job als RWE-Chef verabschieden.
Einem vorzeitigen Ausstieg erteilte er am Mittwoch eine Absage: „Ich habe mich auf fünf Jahre verpflichtet und beabsichtige, das zu erfüllen“, zeigte sich Großmann entschlossen. Bereits im Frühjahr hatte das Unternehmen Gerüchte um ein vorzeitiges Aus für den RWE-Chef zurückgewiesen. Die Suche nach einem Nachfolger für Großmann steht dennoch bei RWE bald auf der Tagesordnung. Erste Kandidaten werden bereits in Medienberichten gehandelt. Aufsichtsratschef Schneider versprach, bis zur nächsten Hauptversammlung werde man einen Nachfolger gefunden haben. Großmann dürfte ein Rückzug zumindest finanziell nicht schwer fallen: Der 59-Jährige ist Inhaber des Stahlunternehmens Georgsmarienhütte. Gekauft hatte er das heute profitable Unternehmen vor 18 Jahren für die symbolische Summe von nur zwei DM.