Alternative Location, ausgefallener Elektropop: Beim New Fall Festivals haben die Bands Tune-Yards und Austra in der Cannstatter Straßenbahnwelt ein Doppelkonzert gegeben.

Stuttgart - Stuttgart ist halt nicht Berlin. Während die vergleichsweise große, von der Gier nach dem Anderssein getriebene alternative Szene in der Hauptstadt etliche ausgefallene Locations kennt, muss man sich im Süden was einfallen lassen, wenn im Rahmen des New Fall Festivals Elektropop-Bands wie Tune-Yards und Austra für ein Doppelkonzert vorbeischauen. So spielten sie am Freitag in der Cannstatter Straßenbahnwelt, also nebst ausrangierten Waggons. Das dürfte alternativ genug sein.

 

„Ein Festival für Musikfans, nicht für Musiktouristen“ sei das New Fall, so die durchaus elitäre Ansage vor den Auftritten. Musikfans scheint es aber nur in geringer Zahl zu geben, beim Bühnengang der Tune-Yards hätten jedenfalls noch ein paar mehr Jute- und Turnbeutel tragende Menschen in die luftige Halle gepasst.

Sei’s drum, Stimmung und Jubelstürme kommen trotzdem schon nach den ersten Songs auf. „Hot, Stuttgart! It’s cold, but it’s hot!“, findet die US-amerikanische Sängerin Merrill Garbus, deren musikalische Genialität Grundlage der ursprünglich als experimentelles Soloprojekt gestarteten Truppe ist. Während Bass und Schlagzeug das zum Tanzen anregende Fundament von Songs wie „Look at your Hands“ zimmern, baut Garbus mittels Loop-Station und kräftiger Stimme Schicht um Schicht – ob ihres gewaltigen Organs muss sie meist Abstand zum Mikrofon wahren.

Sakral-Gesang zu pulsierenden Elektro-Klängen

Des Weiteren drückt sie Keyboardtasten, kraxelt auch mal am Boden, um an Knöpfen und Schaltern herumzufingern. Indie, Electro, Folk – alles wird hier vermengt. Spätestens wenn Garbus etwa für den Titel „Powa“ noch zur verkabelten Ukulele greift, ist jeder Bestimmungsversuch vergeblich. Dass sie unter anderem in Kenia studiert hat, prägt ihre Kompositionen ebenfalls, was man beispielsweise dem Perkussionsstil von „Water Fountain“ anhört.

Klarer fassen lässt sich das, was Austra im Anschluss bieten. Die kanadische Formation hat sich nach dem Zweitnamen ihrer Sänger- und Songwriterin Katie Austra Stelmanis benannt – zufälligerweise heißt die Lichtgöttin der lettischen Mythologie ebenfalls Austra. Und sakral mutet ihr Gesang durchaus an: Stelmanis absolvierte eine klassische Ausbildung, tirilierte bereits als Zehnjährige im Kinderchor an der kanadischen Nationaloper.

Ihre hohen Töne legt sie über pulsierende elektrische Klänge, Synthie-Pop trifft auf Techno-Beat. Der Mix aus Altem und Neuem überzeugt das Publikum rasch: „Beat and the Pulse“, die Debüt-Single aus dem Jahre 2010, sorgt für erste Jauchzer, bei „I love you more than you love yourself“ vom aktuellen Album „Future Politics“ lassen sich dann schon einzelne Gäste zu Freudensprüngen hinreißen. Wenn es zum Ende hin auf längst zu Szenehits avancierten Werken wie „Lose it“ zugeht, kriegen Austra die Menge zum Wabern. So verlassen am Ende also wenige, aber schwer beglückte Musikfans das stillgelegte Straßenbahndepot – welches übrigens auch als Museum genutzt wird, aber das ist dann vielleicht eher was für Touristen.