Die Bahn stößt beim Bau des Stuttgart-21-Tunnels in Richtung Obertürkheim auf zuviel Wasser. Nun sucht sie nach Lösungen – und konzentriert sich auf andere Bereiche des Vorhabens.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Der Tunnelbau für Stuttgart 21 in Richtung Obertürkheim steht still. Zwar habe man sich im Zeitraum seit September 2018 nochmals rund 60 Meter weiter in Richtung des Neckarvororts vorgearbeitet, das aber nur im Zuge von Versuchen, erklärt Günter Osthoff, der für die Bahn den Bau der Röhren nach Unter- und nach Obertürkheim verantwortet. Ehe man den Vortrieb ganz eingestellt habe, „sind wir am Tag noch 50 Zentimeter vorangekommen. Das ist nicht wirtschaftlich“, sagt Osthoff. Er tritt damit auch der häufig geäußerten Vermutung entgegen, die Bahn lasse aus Sicherheitsgründen den Tunnelbau nach Obertürkheim ruhen. Mitte Februar haben Verantwortliche der DB-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm im Gemeinderat über die Situation unter Tage im Neckartal berichten müssen, nun führt die Bahn Medienvertreter an den Ort des Geschehens.

 

Wasser wird in den Neckar geleitet

30 Liter pro Sekunde rinnen dort in einen rund 300 Meter langen Tunnelabschnitt – genug Wasser, um eine durchschnittliche Badewanne in fünf Sekunden zu füllen. Das Wasser wird über einen Schacht an der Neckarinsel zu Tage gefördert, dort gereinigt und in den Kraftwerkskanal geleitet. Der hohe Wasserandrang unter Tage ist auch über Tage nicht folgenlos geblieben. Ein Notbrunnen ist versiegt. „Der Grundwasserspiegel hat sich im Bereich unserer Baustelle gesenkt“, sagt Osthoff. Das Wasser laufe nun in den Tunnel. Wenn der Bau einmal abgeschlossen ist, pendle sich der Pegel wieder auf das Niveau vor den Bauarbeiten ein, zeigt sich der Ingenieur überzeugt. Es handle sich um Grundwasser, das da in die Tunnelbaustelle laufe. Befürchtungen, es sei Mineralwasser, was da von der Tunneldecke tropft, wies Osthoff zurück.

Ende der vergangenen Woche hatte das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) der weiteren Grundwasserhaltung zugestimmt. Eine ältere Genehmigung ist nun abgelaufen. Gutachter und das Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart seien in das Verfahren miteingebunden gewesen, heißt es bei der Bonner Behörde.

Alternative Bautechnik erprobt

An Warnungen aus den Neckarvororten hatte es im Vorfeld des Bauvorhabens nicht gemangelt. Die Bahn beabsichtige den Tunnelbau just in einem Bereich, in dem der Neckar vor seiner Kanalisierung und dem Bau des Hafens geflossen ist. Osthoff bleibt aber dabei, dass der Wasserandrang „so massiv nicht zu erwarten“ gewesen sei.

Von Montag an erprobt die Bahn nun das sogenannte Düsenstrahlverfahren, um des Wassers Herr zu werden. Dabei wird mit bis zu 400 bar ein Zementgemisch in den Bereich des weiteren Tunnelverlaufs gepresst, um den Wasserzutritt zu minimieren.

Dies ist aber nur eine Variante: Zuvor hatten die Mineure mit einer Methode experimentiert, dem Untergrund mit einer Vakuumtechnik Wasser zu entziehen. „Das hat gut funktioniert, da haben wir bis zu anderthalb Meter am Tag Vortrieb geschafft“, erklärt Osthoff. Welche der beiden Methoden beim Weiterbau angewendet wird, soll sich in den kommenden Wochen entscheiden. „Wir schaffen uns einen Regenschirm“, sagt Osthoff.

Tunnel nach Untertürkheim hat Priorität

Die Bahn hat dabei nach eigenen Angaben keinen Zeitdruck. In diesem Jahr soll kein weiterer Vortrieb in Richtung Portal Obertürkheim, bis zu dem noch eine Strecke von etwas mehr als 600 Meter aufzufahren ist, erfolgen. Stattdessen konzentrieren sich die Tunnelbauer auf die beiden Röhren Richtung Untertürkheim, bei denen sie im Spätsommer den Durchschlag schaffen wollen. „Das bringt uns dann wirklich starke Verbesserungen, wenn wir da wieder Licht sehen“. Denn die gesamte Logistik für den Tunnelbau erfolgt derzeit immer noch über einen vertikalen Schacht an der Ulmer Straße in Wangen. Erreichen die Röhren in Untertürkheim wieder das Tageslicht, ist eine Versorgung der Baustelle auch von dort aus möglich.

In Richtung Innenstadt sind die Tunnelbauer schon einen Arbeitsgang weiter und betonieren die Innenschale der Röhren. Dabei arbeiten sie sich in Zehn-Meter-Schritten Richtung neuem Bahnhof vor. Gerne würde Osthoff den Betrieb vergleichbar dem Tunnelausbruch sieben Tage die Woche aufrecht erhalten. Dem hat aber die Landesbergdirektion in Freiburg einen Riegel vorgeschoben. Am Sonntag haben die Betonierer frei.