Das Ende der Kostensteigerung für den Rosensteintunnel ist offenbar noch nicht erreicht. Schon im Sommer könnten nach Schätzungen des Tiefbauamts noch einmal 40 Millionen Euro Mehrkosten auf die Stadt zukommen.

Stuttgart - Das Ende der Fahnenstange bei den Kostensteigerungen für den Rosensteintunnel ist offenbar noch nicht erreicht. Schon im Sommer – nach erfolgter Ausschreibung und Vergabe der Betriebs- und Sicherheitstechnik für die beiden 1,3 Kilometer langen Röhren zwischen Wilhelma und Pragsattel könnten nach Schätzungen des Tiefbauamts noch einmal 40 Millionen Euro Mehrkosten auf die Stadt zukommen. Die Gesamtkosten für den Tunnel würden sich damit auf knapp 360 Millionen Euro erhöhen. Die politische Mehrheit von CDU, SPD, FDP und Freien Wählern im Technischen Ausschuss des Gemeinderats ist zwar nicht begeistert, will aber im Gegensatz zu SÖS/Linke-plus von einem Projektausstieg nichts wissen.

 

Wie unsere Zeitung in der vergangenen Woche berichtet hatte, sind durch Neuvergaben von Aufträgen in Folge der Vertragskündigung seitens der Stadt für das heimische Bauunternehmen Wolff & Müller im Jahr 2017 sowie allgemeine Baupreisteigerungen die Projektkosten bereits um 35 Millionen gestiegen. Im Rathaus wurde nun am Dienstag eine weitere Hiobsbotschaft publik. Die prognostizierte Kostenerhöhung um weitere 40 Millionen läuft zwar offiziell unter dem Begriff Risikovorsorge, nachdem der Risikotopf für das Projekt durch vorangegangene Kostenexplosionen und Rückstellungen für den Schadensersatzprozess gegen Wolff & Müller bereits ausgeschöpft ist. Doch auch die Befürworter des Tunnels gehen davon aus, dass angesichts der allgemeinen Entwicklung in der Baubranche die Summe am Ende noch oben drauf kommt.

Linken-Stadtrat fordert: „Schluss mit den Tunnelfantasien“

Grüne und SÖS/Linke-plus kritisierten das Projekt als Millionengrab. „Wir haben immer davor gewarnt, dass es niemals bei den 2012 angegebenen Kosten bleiben wird“, so Grünen-Stadträtin Gabriele Munk. Der Rosensteintunnel habe zudem sämtliche Zuschüsse für Verkehrsinfrastruktur, die Stuttgart nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) erhält, aufgefressen. Zur Erinnerung: Das Projekt war 2012 von CDU, SPD, Freien Wählern und FDP im Rathaus bei einer Kostenschätzung von gut 190 Millionen Euro politisch auf den Weg gebracht worden, wenige Monate später belief sich die Kalkulation bereits auf etwa 231 Millionen Euro.

Christoph Ozasek (Linke) forderte eine „Exit-Strategie“ und appellierte an die anderen Fraktionen, ihre „Tunnelfantasien“ wie etwa die Prüfung des Baus eines Ostheimer Tunnels zu beenden. Mit dem Geld für den Tunnelbau wären allein die von den SSB bis 2022 benötigten Infrastrukturmittel von 348 Millionen Euro finanziert, rechnete Ozasek den Tunnelbefürwortern vor.

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Die wiederum verteidigten sich nach Kräften. Philipp Hill (CDU) hob die positive Wirkung des Tunnels für die Anwohner in Bad Cannstatt und Stuttgart-Ost hervor. Höhere Preise seien schon beim Baubeschluss 2012 absehbar gewesen, der Streit mit Wolff & Müller dagegen nicht. „Niemand hier in der Runde ist dafür verantwortlich“, sagte Hill. Besonders die SPD, die seinerzeit gegen den Willen der eigenen Parteibasis im Gemeinderat mit den bürgerlichen Parteien für den Rosensteintunnel votiert hatte, fühlte sich attackiert. Ihre Stadträtin Susanne Kletzin betonte, der Bau des Tunnels sei auch notwendig für die Pläne für eine Stadt am Fluss. Zudem habe sich die SPD für Begleitmaßnahmen stark gemacht. Michael Conz (FDP) warf Grünen und Linken vor, sie wollten Autofahrer im Stau stehen sehen und sie damit „foltern und quälen“. Der Tunnel entlaste die Stuttgarter City vom Autoverkehr.

Technikbürgermeister Thürnau spricht von politisch kalkuliertem Preis

Für Aufregung sorgte Technikbürgermeister Dirk Thürnau (SPD) mit der Aussage, die Ratsmehrheit habe 2012 den politischen Beschluss gefasst, den Tunnel für 193 Millionen Euro auf den Weg zu bringen, weil keine „Zwei“ vor der Millioneninvestitionssumme habe stehen dürfen, um das Projekt nicht in Frage zu stellen. Auf Nachfrage präzisierte Thürnau seine Aussage: Die Verwaltung habe damals nicht durchsetzen können, Baupreissteigerungen und Risiken in die Vorlage für den Baubeschluss einzupreisen.