Eine der beiden Röhren des Tunnels aus Feuerbach für Stuttgart 21 erreicht die Innenstadt. Die Geologie macht den Bau langsamer und teurer.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Gute Nachrichten für die vom Baustellenlärm geplagten Anwohner des Wartbergs im Stuttgarter Norden: Eine der beiden aus Feuerbach kommenden Tunnelröhren für Stuttgart 21 hat die City erreicht, weswegen die Bahnprojektgesellschaft Stuttgart-Ulm (PSU) die Lüftungsanlage für die Untertagebaustelle etwas drosseln kann. Vor allem die lauten Ventilatoren hatten den Anwohnern des Wartbergs schwer zu schaffen gemacht.

 

Schwierige Geologie

Für diesen Montag lädt die PSU zum symbolischen Tunneldurchschlag ein. Aber schon am Donnerstag trennte die Mineure tief unter dem Kriegsberg nur noch eine dünne Wand Gestein vom Durchbruch in die Innenstadt rund 200 Meter von der Jägerstraße entfernt im Berg. Die Erleichterung ist allenthalben zu spüren. „Das ist der derzeit vielleicht komplizierteste Tunnelbau in Deutschland“, sagt Christoph Lienhart. Der Ingenieur aus Österreich leitet die beiden Bauabschnitte von Feuerbach und von Bad Cannstatt in die Innenstadt.

Vor allem die Geologie macht das Vorhaben so schwierig. Von den 2000 Meter unter Tage, die sich die Mineure vom Zugangsstollen am Wartberg aus in Richtung City vorgearbeitet haben, liegen gut 1000 Meter im Anhydrit, einer Gesteinsformation, die bei Berührung mit Wasser zu quellen beginnt. Bestätigt dürfen sich all jene fühlen, die auf die Schwierigkeiten beim Bauen in diesem Gestein hingewiesen haben. Denn die Mineure mussten beim Bauen große Mengen an Kunstharz in das umgebende Gestein injizieren, damit kein Wasser in die Nähe der Baustelle gelangen kann.

Es scheint den Tunnelbauern bislang geglückt zu sein, ein solch heikles Zusammentreffen von Feuchtigkeit und dem Gestein zu vermeiden. „Wir hatten in wenigen Abschnitten eine Hebung an der Oberfläche, die aber maximal 15 Millimeter betragen hat“, sagt Lienhart.

Doppelt so dicke Tunnelwände wie üblich

Auch beim nun anstehenden nächsten Arbeitsschritt, bei dem die Röhre mit einer Betonschale ausgekleidet wird, spielt der schwierige Untergrund eine bremsende Rolle. Im Abstand von einem Meter wird in den Anhydritabständen rings um den Tunnelquerschnitt bis zu vier Meter in das Gestein gebohrt und dort ein Gel hineingepresst, dass die Spalten und Klüfte verschließen soll, auf dass auch in Zukunft kein Wasser in Richtung Tunnel sickert. Zudem wird die Wandstärke in diesen Bereich verdoppelt. Statt 50 Zentimeter wird die Tunnelschale ein Meter dick. Wo in anderen Tunneln zwischen 100 und 140 Kilo Baustahl je Kubikmeter Beton verbaut wird, summiert sich das im Feuerbacher Tunnel auf bis zu 265 Kilo. Der Mehraufwand bleibt nicht ohne Folgen für den Terminplan. Wo ansonsten ein Tag Bauzeit für einen zehn Meter langen Innenschalenblock ausreicht, kalkulieren die S-21-Bauer in den Anhydritbereichen mit drei Tagen. Ein 140 Tonnen schweres Gerüst für den Einbau der Tunnelschale ist in Position gebracht, der erste Beton ist Ende dieser Woche geflossen. Während in der ersten Röhre also schon an der Innenschale gearbeitet wird, treiben die Mineure die zweite in Richtung Innenstadt vor. Gut 300 Meter haben sie noch vor sich, ehe auch sie Licht sehen. Der Durchschlag ist für Juli geplant.

Als der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn im Januar den Finanzierungsrahmen für Stuttgart 21 auf 8,2 Milliarden Euro anhob und die Verschiebung der Inbetriebnahme auf 2025 zur Kenntnis nahm, hieß es nach der Sitzung „der Anstieg der Kostenprognose“ sei „insbesondere auf deutlich aufwendigere Verfahren beim Tunnelbau im Anhydrit“ zurückzuführen. Wie viel allein der Feuerbacher Tunnel am Ende kosten wird, vermag man bei der Bahn noch nicht zu sagen. Beim Baugebinn im Jahr 2014 taxierte man die Kosten für den Rohbau auf 188 Millionen Euro.

Röhre muss noch Stadtbahngleise unterqueren

Auch wenn am Montag die Mineure offiziell den Durchschlag in Richtung des bereits aufgefahrenen kurzen Tunnelstummels unter dem Kriegsberg schaffen, so ist die Röhre bis Feuerbach noch nicht durchgehend ausgebrochen. Am entgegengesetzten Ende fehlen noch gut 60 Meter, ehe die Röhre im Bereich des Feuerbacher Bahnhofs ans Tageslicht kommt. Dieser letzte Abschnitt ist nicht ganz trivial. Weil dort zwei Gleise in einer Röhre liegen, ist der Querschnitt deutlich größer als in den übrigen für je nur ein Gleis bemessenen Tunneln. Zudem nimmt der Abstand zur Oberfläche kontinuierlich ab. Außerdem müssen dort noch Gleise der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) unterquert werden. Christoph Lienhart prognostiziert, dass der Durchschlag in Richtung Feuerbach im Jahr 2019 erfolgen wird.

Für Stuttgart 21 werden unter der Stadt und auf den Fildern insgesamt 58,8 Kilometer Tunnel und unterirdische Verbindungsbauwerke gebaut. Laut der Bahn sind davon derzeit rund 37,5 Kilometer vorgetrieben. Für
den eigentlichen Bahnhof erstreckt sich derzeit eine Baugrube vom Kurt-Georg-Kiesinger-Platz bis zum Mittleren Schlossgarten. Der im Mai 2017 begonnene Bau der für die Bahnsteighalle so charakteristischen Kelchstützen stockt derzeit. Die Bahn benötigt noch eine Genehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt (Eba). Das entsprechende Verfahren könne abgeschlossen werden, wenn „die Bahn dem Eba noch ausstehende, aktualisierte Unterlagen vorlegt“, so ein Behördensprecherin auf Anfrage der StZ.