Lokalchef Jan Sellner geht der Frage nach, warum das Wappentier der Stadt eher der Maulwurf als das Rössle ist.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Stuttgart hat einen Hang zum Tiefstapeln. Ebenso zum Tieferlegen. Ersteres zeigt sich in einer landestypischen Zurückhaltung, die eher unbeholfen zu nennen ist als vornehm. Zweiteres drückt sich darin aus, dass man gerne in die Tiefe baut – was topografische und stadtklimatologische Gründe hat. Doch auch andere Überlegungen spielen eine Rolle: Was unter der Erde ist, ist aufgeräumt. Mit Leuchttürmen hat man es hier nicht so.

 

Das bekannteste und umstrittenste Beispiel für den Stuttgarter Tiefbau ist der neue Hauptbahnhof. Seine Tieferlegung – einschließlich des Bohrens von bisher mehr als 40 Kilometer Tunnel – hat immerhin den Vorteil, dass sich für die Stadt oberirdisch neue städtebauliche Chancen bieten, die allerdings erst noch ergriffen werden müssen. Andere Tiefbauarbeiten sind kleiner dimensioniert, aber gleichwohl diskussionswürdig: Als es um die Entscheidung ging, wo das neue Medien- und Besucherzentrum des Landtags entsteht, entschied man sich für einen Ort unterhalb der Grasnarbe. Der Neubau wurde kurzerhand versenkt.

Im Höhenpark spaziert man in Schützengräben

Schildbürger-Charakter hat eine landschaftsgärtnerische Maßnahme im Eingangsbereich des Höhenparks: Wer dort spazieren geht – wozu in ästhetischer Hinsicht nicht geraten werden kann –, findet sich in einem Labyrinth künstlich tiefergelegter oder in Böschungen gezwängter Wege wieder. Als Spaziergänger hat man das Gefühl, sich in Schützengräben zu bewegen. Tieferlegen statt oben lassen – dieses Schicksal hat bekanntlich auch schon den Nesenbach ereilt; seit er überwölbt und eingedolt worden ist, führt der Nebenfluss des Neckars ein trauriges Dasein im Untergrund. Dort könnten sich nach den Vorstellungen der CDU – Stichwort Ostheimer-Tunnel und Filder-Tunnel – auch vermehrt Autofahrer wiederfinden. Man wird den Verdacht nicht los, als sei Stuttgarts Wappentier in Wahrheit nicht das Rössle, sondern der Maulwurf.

Dabei ist der Gedanke des Tieferlegens nicht von vornherein falsch. Es kommt nur darauf an, wie und wo man’s macht. Neuerdings diskutiert der Gemeinderat darüber, die Stadtautobahn B 14 zwischen Charlotten- und Gebhard-Müller-Platz ins Erdreich zu verlegen, also jenen Abschnitt, auf dem sich Mitglieder und Freunde des Vereins Aufbruch Stuttgart an diesem Sonntag auf 1000 Stühlen niederlassen wollen, um die Idee einer vom Verkehr entlasteten Kulturmeile oder eines Kulturquartiers voranzubringen.

Die Untertunnelung der B14 würde 170 Millionen Euro kosten

Für die Maulwürfe unter uns eine Art Déjà-vu, denn die Tieferlegung der B 14 war schon einmal Thema: 2011 scheiterte der auf 70 Millionen Euro veranschlagte Plan am Geld. Aus heutiger Sicht würde der Tunnel 170 Millionen Euro kosten; die Mittel wären vorhanden . Der Vorschlag ist daher auch Bestandteil des Ideenwettbewerbs zur Neugestaltung der B 14. Das ist sehr zu begrüßen, denn dieser Wettbewerb kann auch Antworten auf Fragen liefern, die sich bei einer Untertunnelung stellen würden – ob beispielsweise Mineralquellen gefährdet wären.

Bleibt festzuhalten: Die Aufbruch-Leute haben Oberbürgermeister Fritz Kuhn und den Gemeinderat mit ihrem B 14-Vorstoß getunnelt. Es stellt sich die Frage, warum sie bei der Kommunalwahl 2019 nicht für das Stadtparlament kandidieren. Dort könnte der Aufbruch dann selbst mit für den Durchbruch sorgen.

jan.sellner@stzn.de