Mit dem Rücktritt des Schatzmeisters ist die Krise bei der Stuttgarter CDU zunächst entschärft. Doch der Partei fehlt der Wertekompass, sie braucht eine Selbstbesinnung, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Am Ende ging es ganz schnell. Nur einen Tag nach dem Bekanntwerden der Kontroverse um den Bordellbesitz des Schatzmeisters gibt es Konsequenzen bei der Stuttgarter CDU: Eberhard Graf tritt zurück – und erspart der Partei damit eine Fortsetzung der unerquicklichen Diskussion. Ob der Schritt nur unter dem Druck der Öffentlichkeit erfolgte oder aus eigener Einsicht, ist schwer zu beurteilen; honorig ist er allemal.

 

Rechtlich hat sich Graf nichts vorzuwerfen. Was er mit seinem Geld macht, muss er zuerst vor sich selbst verantworten. Ob er es ins Dreifarbenhaus steckt oder in ethisch wertvollere Anlagen, geht grundsätzlich niemanden etwas an. Doch das änderte sich in dem Moment, da er als Schatzmeister in den engsten Führungskreis der CDU einzog: Von den Repräsentanten der Partei darf man schon verlangen, dass sie auch persönlich für die von ihr propagierten Werte einstehen. Der Dunstkreis der Prostitution passt fraglos schlecht zu den Christdemokraten.

Die politische Brisanz verkannt

Vorwerfen kann man Graf, dass er die Parteioberen offenbar nicht offensiv über sein privates Engagement informierte. Doch nicht nur er, auch die bereits früher informierten Parteifreunde verkannten wohl dessen politische Brisanz. Spätestens seit vier Wochen waren die Fakten allseits bekannt. Hätte die Stuttgarter CDU noch einen funktionierenden Wertekompass, wäre damals eine klare Distanzierung angezeigt gewesen. Doch der Kreischef Stefan Kaufmann und seine Mitstreiter wollten die Sache offenbar aussitzen. Das wäre auch fast gelungen, hätte die Vizekreischefin Karin Maag nicht eine interne Debatte erzwungen und die Frauen-Union in Stadt und Land nicht nachgelegt.

Mit dem Rücktritt Grafs ist die Krise zunächst entschärft. Eine Selbstbesinnung der Stuttgarter CDU aber bleibt unverändert nötig. Das gilt übrigens auch für die Rathausfraktion: Wie die Truppe um Alexander Kotz im Ringen ums Andenken an Manfred Rommel agierte, zeugt nicht minder von mangelndem politischem Gespür.