Der Abgang der EnBW-Vertriebschefin ist ein weiteres Alarmsignal: bei dem Energiekonzern läuft es nicht so rund, wie es den Anschein hat, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Als einen der Gründe, weshalb er schlecht schlafe, nannte Winfried Kretschmann früher regelmäßig die Sorge um die EnBW. Er ist schließlich mit dafür verantwortlich, was aus dem von seinem Vorgänger zurückgekauften Energiekonzern wird. Von Sorgen spricht der Ministerpräsident schon länger nicht mehr, umso mehr von Zuversicht: Die Energiewende bleibe eine große Herausforderung, aber mit Frank Mastiaux an der Spitze befinde sich die EnBW auf einem guten Weg. Entsprechend geräuschlos verlängerten das Land und die Landkreise voriges Jahr den Vertrag des Vorstandschefs.

 

Gewisse Zweifel am „guten Weg“ klangen nur im Appell der Landräte an, nun müsse Mastiaux aber auch allmählich gute Zahlen liefern. Aus Sicht der Landespolitik ist es schon ein Wert an sich, dass bei der EnBW – zumindest von außen betrachtet – einigermaßen Ruhe herrscht. Nichts schätzen Regierende so sehr wie Manager, die möglichst geräuschlos ihres Amtes walten. Entgegen früheren Befürchtungen wurde die Zukunft des Energiekonzerns etwa kein Thema im Landtagswahlkampf.

Im Vertrieb entscheidet sich die Zukunft

Doch die vordergründige Ruhe darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie groß die Probleme der EnBW sind und wie es im Unternehmen brodelt. Sichtbar wird das nur hin und wieder – etwa im vorigen Sommer mit dem abrupten Ausstieg aus dem Großkundengeschäft oder jetzt mit dem vorzeitigen Abschied der Vertriebschefin. Beides sind Signale, die den Eignern Sorgen machen müssen: Im Vertrieb nämlich entscheidet sich maßgeblich die Frage, ob die Konzerne in der dezentralen Energiewelt der Zukunft noch eine Existenzberechtigung haben. Dazu müssen sie Produkte und Dienstleistungen anbieten, die die Kunden auch wirklich haben wollen. Hier aber mangelt es noch erheblich an Erfolgen.

Land und Landkreis sollten das Scheitern von Mastiaux’ Hoffnungsträgerin daher als Weckruf begreifen. Die EnBW muss Kretschmann & Co. aktuell zwar keine schlaflosen Nächte bereiten, aber sie sollten deren Entwicklung hellwach begleiten.