Die S-21-Befürworter im Stuttgarter Gemeinderat haben sich für einen Zuschuss für die Ausstellung im Turm des Hauptbahnhofs ausgesprochen, der nie beantragt wurde. Am Ende waren sie die Blamierten . . .

Stuttgart - Im Verwaltungsausschuss ist am Mittwoch die Frage kontrovers diskutiert worden, ob die Stadt einen Sonderzuschuss für die Neugestaltung der S-21-Ausstellung im Turm des Hauptbahnhofs von 100 000 Euro leisten soll – neben ihrem jährlichen Mitgliedsbeitrag von 300 000 Euro. Gefordert hatten dies die Projektbefürworterparteien CDU, SPD, Freie Wähler und FDP – weil sie annahmen, der Betreiber des Turmforums, der Verein Bahnprojekt-Stuttgart–Ulm, habe die Unterstützung von der Rathausspitze in Aussicht gestellt bekommen.

 

Sie scheinen jetzt allerdings als Blamierte dazustehen und müssen sich von den Projektgegnern die Verschwendung von Steuermitteln und vorauseilenden Gehorsam unterstellen lassen. Denn sowohl OB Fritz Kuhn (Grüne) als auch Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) haben klar gemacht, dass gar kein offizieller Zuschussantrag gestellt worden sei.

Föll gibt Kuhn Rückendeckung

„Es gibt nichts außer dem Gerücht über eine mündliche Zusage“, behauptete Kuhn. Sein Vorgänger Wolfgang Schuster habe ihn bei der Übergabe der Geschäfte nicht über eine Anfrage informiert. Das Thema sei somit auch nicht geeignet, seine Grundsatztreue zu S 21 in Frage zu stellen, sagte der OB in Richtung der Befürworter. Kämmerer Föll gab Rückendeckung. Auf den bloßen Verdacht hin, dass Dritte einen Antrag auf Unterstützung stellen könnten, einen Zuschuss zu beschließen, sei unzulässig. Für den S-21-Verein würden dieselben Anforderungen gelten wie für andere Vereine. Es müsse der Nachweis des Bedürfnisses geliefert und die Finanzlage offengelegt werden.

Der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz bewies in der Sitzung seine Fähigkeit zur Selbstkritik: Hätte man das vorher gewusst, wäre man nicht in die Offensive gegangen. Am Abend teilte er dann aber mit, ihm liege ein Schreiben des Vereinsvorsitzenden Wolfgang Dietrich vom November vor, in dem dieser die „zugesagte“ Zahlung verlange. Eine Zahlungszusage der Stadt sei dies freilich nicht.

Unabhängig davon, ob die Unterstützung angefordert worden sei, müsse die Baustellendokumentation für die Bürger gut gemacht sein, sagte Roswitha Blind (SPD). Sie hätte gerne, dass die städtebauliche Chance besser dargestellt werde. Im Übrigen ergebe sich die Notwendigkeit eines Zuschusses schon aus dem Umstand, dass die Ertüchtigung der Ausstellung den Verein 600 000 Euro gekostet habe.

Vergleich mit dem Tierheim

Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold sagte, ihm sei das „Sonderzuschusstelefon“ der Stadt bisher nicht bekannt gewesen. Er stellte die Forderung von 100 000 Euro und den Mitgliedsbeitrag von 300 000 Euro dem als zu niedrig erkannten Beitrag für das Stuttgarter Tierheim von 200 000 Euro gegenüber und warf die Sinnfrage auf. Und zwar auch deshalb, weil der Widerstand gegen S 21 in der Ausstellung nicht adäquat abgebildet sei. Die Auswahl der wenigen S-21-kritischen Aspekte sei nicht einmal vom Aktionsbündnis, sondern von der Bahn vorgenommen worden. Die Bürgerbewegung und der Protest würden auch in der S-21-Ausstellung im Erdgeschoss des Rathauses nicht ausreichend gewürdigt.

Die „Glupschaugen“ fehlen

Über seine Forderung, den Widerstand in beiden Ausstellungen mit Hilfe der Projektkritiker aufzuarbeiten, ist im Ausschuss noch nicht abgestimmt worden. Die Befürworterparteien meldeten Beratungsbedarf an. Pätzold ist aber überzeugt, dass seine Wünsche abgelehnt werden. Immerhin hatte CDU-Chef Kotz betont: „Der Widerstand ist Geschichte.“ Im Haus der Geschichte, wo der mit Transparenten und Accessoires der Bürgerbewegung verzierte Bauzaun ausgestellt ist, sei er deshalb gut aufgehoben.

SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch merkte an, die letzte Kostenexplosion auf bis zu 6,8 Milliarden Euro sei im Turmforum noch gar nicht angekommen. Der Zuschuss-Streit ist für ihn ein Beleg, „dass der alte Filz noch immer das Projekt beherrscht“. Die Präsentation vermeide Hinweise auf die klimatischen Risiken durch die Bebauung der Gleisflächen. Die Bahn nehme es insgesamt in der Ausstellung mit der Wahrheit nicht so genau: So fehle etwa in der Darstellung des Bahnhofsdachs eines der großen „Glupschaugen“.

Im Gemeinderat ist dennoch eine Mehrheit dafür, dass die Stadt Mitglied im Verein bleibt. Eine gute Nachricht gab es für die städtische Bürgerbeauftragte Alice Kayser, die im S-21-Kommunikationsbüro arbeitet: Ihre Stelle ist jetzt unbefristet.