Die 16-jährige Emelie Petz aus Allmersbach gilt als großes Talent im deutschen Lager, auch wenn ihr Debüt bei den Europameisterschaften nicht wie geplant verläuft.

Stettin - Noch bevor Emelie Petz in die Schule kam, wusste sie, was sie wollte. Als sie damals zum ersten Mal in der Halle der TSG Backnang stand, da fragte sie gleich keck an, ob man sie „hier zur Weltmeisterin machen kann“. Dabei war für die heute 16-Jährige Turnen zuvor nicht viel mehr als ein Spiel gewesen. Im Wohnzimmer der Familie aus Allmersbach im Tal übte sie schon als Dreijährige unermüdlich Räder und Überschläge. Die Mutter konnte sich nicht anders helfen, als die Tochter in einen Verein zu bringen. Was folgte, war eine Karriere, die in den Jugendklassen Hoffnung auf eine große Zukunft nährte.

 

Nicht erst im vergangenen Jahr dominierte die mittlerweile in Stuttgart ihre Schwünge und Sprünge übende Realschülerin auf nationaler Ebene die Konkurrenz scheinbar nach Belieben. Sowohl im Mehrkampf als auch an allen vier Geräten heimste sie den Titel ein. 2017 hatte Petz mit einer Silbermedaille am Boden bei den Europäischen Jugendspielen erstmals auch international auf sich aufmerksam gemacht. Nun stand der altersbedingte Wechsel in die Aktivenklasse an.

Debüt mit Pannen

Ihr Debüt dort bei einer Europameisterschaft hatte sich die ehrgeizige Sportlerin allerdings anders vorgestellt als jenes, das sie am Donnerstag in Stettin ablieferte. An zwei Geräten hatte Bundestrainerin Ulla Koch die Nachwuchssportlerin eingesetzt. Doch sowohl am Stufenbarren als auch am Schwebebalken kam sie nicht ohne Stürze durch ihr Programm. Der einzige Trost, der Petz blieb, als sie kurz darauf ein wenig zerknirscht in der Mixed Zone der Arena der polnischen Ostseestadt stand, war jener, dass sie demnächst immerhin schon mal mit einem eigenen Element in den Wertungsvorschriften, dem Code de Pointage, stehen könnte. Denn ihren Abgang von den Holmen, einen gehockten Salto mit ganzer Schraube aus einem Stalderumschwung heraus geturnt, konnte sie gut landen. Bisher hat diese Schwierigkeit, die wohl als D-Teil eingestuft werden wird, auf der Welt noch niemand anderes auf entsprechender Bühne präsentiert. Die Aufnahme der Erfindung, die auf einer eigenen Idee der Bewegungskünstlerin beruht, in die offizielle Kartei muss noch vom Weltverband FIG abgesegnet werden.

Auch am Boden, verspricht Petz, will sie demnächst wieder Beeindruckendes zeigen. Ein zusätzliches Knochenstück im rechten Fuß hatte ihr fast das gesamte vergangene Jahr über große Beschwerden bereitet. Mit dem Resultat, dass die eigentlich für die Olympischen Jugendspiele in Buenos Aires qualifizierte Vorturnerin auf den Flug nach Argentinien verzichtete, um sich operieren zu lassen. Zwar sei das betroffene Gelenk seit vier Monaten wieder belastbar, doch mit Blick auf die weiteren Ereignisse in diesem Jahr hatten sie und ihre Trainer es langsam angehen lassen. Petz macht sich durchaus Hoffnungen darauf, bei den Heim-Weltmeisterschaften im Oktober in der Schleyerhalle in der Riege zu stehen, die für den Deutschen Turner-Bund (DTB) das Ticket für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio lösen soll. Dass sie dabei Konkurrentinnen angreifen muss, die schon länger im Nationalteam dabei sind, vermag ihren Optimismus nicht zu trüben.

Immer der Zeit voraus

„Ich war schon immer ein Jahr früher dran“, sagt sie. Für die Sichtung der Nachwuchsauswahl im Kunstturnforum etwa war sie vor zehn Jahren eigentlich noch zu jung. Dennoch habe ihre jetzige Trainerin Marie-Luise „Guti“ Probst-Hindermann ihr Talent erkannt. Laut deren Kollege Robert Mai beinhaltet dieses nicht nur die körperlichen Voraussetzungen, sondern auch die Strukturiertheit und Fokussiertheit des Teenagers, mit dem man genauso umgehen könne wie mit Erwachsenen.

„Sie ist technisch hervorragend“, lobt derweil die Nationaltrainerin. Insgesamt eine Ausnahmeerscheinung, von der die Teamchefin spätestens nach den Olympischen Spielen in Tokio einiges erwartet. Dann hat die Zehntklässlerin ihren unmittelbar bevorstehenden Schulabschluss in der Tasche, dem das Abitur auf einem Wirtschaftsgymnasium folgen soll. Leistungsträgerinnen wie Elisabeth Seitz oder Kim Bui, die diesmal auf die EM verzichteten, beenden zudem womöglich ihre Karrieren. Dass es bei Petz diesmal noch nicht mit einem überzeugenden Auftritt klappte, schob auch Koch auf die lange Leidenszeit und die Pause. „Ich habe sie mitgenommen, damit sie Erfahrungen sammelt“, erklärte die Bergisch-Gladbacherin. „Aber ich bin überzeugt, dass sie ein Topmädchen wird.“