Wenn’s drauf ankommt, da zu sein, ist gar nicht so einfach. Ein Stuttgarter Turn-Trio hat es mal wieder geschafft.

Stuttgart - Der erste Weg nach dem geglückten Abgang vom Barren führt Elisabeth Seitz direkt in die Arme ihrer Trainerin Marie-Luise Probst-Hindermann. Sie herzen sich und winken beide ins jubelnde Publikum in der voll besetzten Stuttgarter Scharrena. Seitz ist zuvor mit ihrer Übung an ihrem Lieblingsgerät nach Rückenproblemen in den vergangenen Wochen eine Punktlandung gelungen. Gerade rechtzeitig zur Qualifikation für die Turnweltmeisterschaften in Montreal (2. bis 8. Oktober).

 

„Im Training unter der Woche konnte ich die Übung nie fehlerfrei durchturnen, der Druck war hoch “, erzählt Seitz. Und sie frage sich manchmal auch selbst, wie sie immer wieder in der Lage sei, so eine Übung „rauszuhauen“. Als auf der Videoleinwand dann die 14,500 Punkte aufleuchten, ist die Erleichterung riesengroß, alle Selbstzweifel sind weg, und das WM-Ticket ist gelöst. Mit dieser Wertung darf sich die EM-Dritte durchaus Hoffnung auf eine Medaille in Montreal machen. „Das ist Elli Seitz, wenn es darauf ankommt, ist sie da“, sagt Bundestrainerin Ulla Koch. Doch Elli Seitz ist noch mehr.

Elli Seitz feuert die Kolleginnen an

Als nämlich wenig später die Ludwigsburgerin Tabea Alt am Stufenbarren 14,200 Punkte hinlegt, sitzt Seitz im Trainingsanzug auf der Tribüne und quittiert die Leistung der Kollegin mit einem Pfiff durch die Zähne. Auch das ist typisch für sie: immer gut gelaunt, energiegeladen und in der Lage, sich und andere enorm zu pushen. So eine Art kann leicht ansteckend wirken. Und womöglich ist genau das am Samstag in Stuttgart passiert.

Neben Elli Seitz buchen dort nämlich auch ihre MTV-Kolleginnen Tabea Alt als Siegerin des Mehrkampfs (54,600) und Kim Bui mit einer starken Vorstellung am Barren (14,100) nach überstandener Verletzung die Reise nach Kanada. „Schön, dass es geklappt hat, denn in Kanada war ich noch nie“, sagt die 28-jährige Kim Bui, die bei der Universiade in Taiwan kürzlich die Silbermedaille am Barren gewonnen hat.

Tabea Alt wird bei der WM den Vierkampf bestreiten, Seitz und Bui gehen in Nordamerika nur zwischen den Holmen für den Deutschen Turnerbund (DTB) ins Rennen. Da nur drei Athletinnen pro Gerät zugelassen sind, wird die vierte WM-Starterin, Pauline Schäfer aus Chemnitz, keinen Mehrkampf bestreiten können, sondern am Sprung, Balken und Boden starten. Kim Bui sinniert nach dem Wettkampf in Stuttgart darüber, weshalb sich der Barren über die Jahre als Topgerät der Deutschen entwickelt hat – und warum sie gerade hier die Spitze der Ästhetik und Leichtigkeit erreichen, federleicht und quirlig um die Holme wirbeln. „Bei uns wurde über die Jahre hinweg einfach sehr viel Wert auf die Arbeit am Barren gelegt“, sagt Kim Bui. Es hätte auch immer entsprechende Vorbilder gegeben, an denen sich die Athletinnen orientieren konnten: „Das war bei mir so, und jetzt profitiert beispielsweise Tabea von mir oder Elli an diesem Gerät.“

Tabea Alt turnt ein neues Element

Zuletzt allerdings legte Tabea Alt eine Pause ein, gönnte ihrem Körper nach einem anstrengenden Frühjahr ein wenig mehr Ruhe und verzichtete auf die deutschen Meisterschaften in Berlin. Zudem verschob sich der Fokus ein wenig in Richtung Schule. „Ich habe in dem Moment gespürt, was gut für mich ist, und mit meinem Trainer Robert Mai diese Entscheidung getroffen“, sagt Tabea Alt. Doch auch sie ist rechtzeitig wieder in Form gekommen, bei der WM will sie an allen vier Geräten ins Finale.

In Stuttgart gefällt sie vor allem am Sprung und am Barren, an beiden Geräten präsentiert sie neue Elemente. „Den zweiten Sprung habe ich zum ersten Mal gezeigt, das hat geklappt, und so bin ich super in den Wettkampf reingekommen“, sagt Tabea Alt. Das gute Gefühl verlässt sie dann auch am Stufenbarren nicht, wo sie ebenfalls ein neues Element zeigt. Einen Wert dafür gibt es noch nicht. „Aber wir werden das Element anmelden“, erzählt die Gymnasiastin. Nicht glücklich war sie zuvor mit ihrer Dreierserie am Schwebebalken, sie musste kurz vom Gerät, stabilisierte sich aber schnell wieder. Weshalb für Tabea Alt das Gleiche gilt wie für ihre Stuttgarter Kolleginnen: Die WM kann kommen.