Die 15-Jährige aus Ludwigsburg, 2015 Topscorerin der Bundesliga im Trikot des MTV Stuttgart, bestreitet ihre internationale Premiere bei den Frauen. Am Samstag darf sie Deutschland zum Auftakt der Mehrkampf-Weltcupserie in den USA vertreten.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Jetzt ist es soweit, jetzt ist der Moment gekommen, jetzt darf sie bei den Frauen durchstarten. Verhindert hatte das nur noch die Altersgrenze, die international bei 16 Jahren (also Jahrgang 2000) liegt. In zwei Wochen wird die deutsche Jugendmeisterin Tabea Alt aus dem Ludwigsburger Stadtteil Neckarweihingen 16. Und bereits am Samstag feiert sie ihr Debüt auf der ganz großen Bühne.

 

Denn die Topscorerin der Bundesliga, die 2015 bereits ihren vierten nationalen Titel nacheinander mit dem MTV Stuttgart gewann, darf Deutschland zum Auftakt der Mehrkampf-Weltcupserie beim American Cup in Newark bei New York vertreten. „Mit Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen in einer Riege zu turnen, das ist schon nochmal ein Unterschied“, sagt Tabea Alt. „Das ist schon aufregend.“

Sie wird sich erstmals international nicht mehr nur mit Gleichaltrigen messen, sondern auch mit Athletinnen, die ihr als Vorbilder dienen. Beispielsweise Gabrielle Douglas, die 2012 in London als erste Afroamerikanerin Olympiasiegerin wurde und nach einer internationalen Pause wieder in die Weltspitze vorgestoßen ist, schätzt sie sehr. Am Samstag tritt sie gegen sie an.

Zahlreiche Erfolge auf europäischer Ebene als Juniorin

Turnexperten in ganz Europa ist Tabea Alt längst ein Begriff. Bei den Junioren-Europameisterschaften 2014 gewann sie Bronze am Schwebebalken, kam mit dem Team auf Platz vier und im Mehrkampf auf Rang sechs. Beim European Youth Olympic Festival 2015 in Tiflis führte sie die deutsche Auswahl zu Bronze, wurde Mehrkampfsiebte und stand auch am Boden, Stufenbarren und Sprung in den Finals.

Im deutschen Ausnahmejahrgang 2000 mit Florine Harder, Maike Enderle, Rebecca Matzon, Lina Philipp oder auch Carina Kröll ist Tabea Alt die Beste. Ihre Stärke ist es, keine Schwäche zu haben unter den vier Geräten  – sie ist vielversprechend vielseitig. „Sie ist schon eine Überfliegerin, ihrer Zeit leistungsmäßig voraus“, sagt die MTV-Teammanagerin Claudia Krimmer.

Das „International Gymnast Magazine“ berichtete jüngst ebenso über das deutsche Toptalent wie eine französische Turnzeitung. „Das ist schön, wenn man so eine Anerkennung bekommt“, sagt Tabea Alt. Das ist bei Turnerinnen ja eher selten der Fall. Sie schuften 30 Stunden pro Woche im Training neben der Schule oder dem Studium, Aufmerksamkeit erfahren sie wenig.

Helles Köpfchen mit einem Eins-Komma-Notenschnitt

Tabea Alt kommt aus einer Turnerfamilie. Mama Mirjam und Papa Peter gingen einst schon an die Geräte, ihr Bruder Simon (19) tritt für den MTV Ludwigsburg in der Oberliga an. So fand sie bereits mit vier den Zugang zu Überschlägen und Aufschwüngen, mit acht wechselte sie ins Stuttgarter Kunstturnforum. Taxi Mama fährt sie: „Die Unterstützung von daheim ist schon extrem wichtig – ohne sie würde es nicht gehen.“ Als sie 2014 und 2015 abermals zur Ludwigsburger Sportlerin des Jahres gewählt wurde, gewann übrigens parallel jeweils ihr Cousin Lukas Dick, ein begabter Skifahrer.

Tabea Alt weiß, was sie will. Sie ist ein helles Köpfchen mit einem Eins-Komma-Notenschnitt, wobei sie zurzeit am Untertürkheimer Wirtemberg-Gymnasium ein Parkjahr einlegt und die zehnte Klasse nach den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro wiederholen wird. Später könnte sie sich ein Medizinstudium vorstellen.

Der Traum einer jeden Trainerin

Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper – von großen Verletzungen blieb sie bisher verschont. Mit 1,58 Meter und 50 Kilogramm bringt sie eine optimale Statur für ihre Sportart mit. „Man möchte natürlich immer ein bisschen größer sein, aber im Turnen ist es eher ungeschickt, deshalb passt es ja ganz gut“, sagt die 15-Jährige. „Wenn man über die Sommerferien zwei Zentimeter wächst, merke ich das und muss die Technik verändern.“

Doch das ist kein großes Problem. Denn sie ist der Traum jeder Trainerin. Eine Athletin, die nicht nur als Befehlsempfängerin ihr Pensum abschrubbt, sondern selbstbestimmt die eigene Entwicklung vorantreibt. „Sie ist total gewissenhaft, in allen Lebensbereichen, sie versucht immer alles gut zu machen“, sagt Marie-Luise Probst-Hindermann, die Tabea Alt schon seit Jahren mit Robert Mai in Stuttgart trainiert. „Dass sie gesund bleibt, ist leistungsentscheidend – alles andere zeigt die Zeit. Sie steckt sich die Ziele in der Regel eh selbst höher als wir.“

Beim Weltcup-Debüt in den USA geht es für die Nachwuchshoffnung darum, Erfahrung zu sammeln. Außerhalb von Europa. Mit Zeitverschiebung. Es soll ein erster Schritt sein auf dem Weg in das Aufgebot für das olympische Testevent im April in Rio, wo die deutschen Frauen um die letzte Chance auf ein Olympiaticket turnen. „Das Ganze mal mitmachen, meine Übungen gut präsentieren, Spaß haben“ – das nimmt Tabea Alt sich für ihren bisher größten Auftritt vor. Am Samstag ist es soweit.