Der Film „München 72 – Das Attentat“ des israelischen Regisseurs Dror Zahavi erzähltvom blutigen Ausgang der Olympischen Spiele 1972.

Stuttgart - Von heute aus betrachtet wirken manche Aufnahmen von den Olympischen Spielen 1972 in München fast unglaublich naiv: All dieses Hellorange und Leuchtendgrün und Sonnengelb, das Sportlern und Besuchern aus aller Welt signalisieren sollte, dass sie in einem anderen, postnationalsozialistischen Deutschland angekommen sind, wo Uniformen nicht mehr braun sind, sondern himmelblau, und außerdem von Courrèges entworfen. Mit solchen Bildern spielt der ZDF-Film „München 72 – Das Attentat“.

 

Er zeigt die ersten zehn Minuten lang bunter als bunt die deutsche Welt, wie sie vor vierzig Jahren zumindest in Teilen sein wollte: weltoffen und herzlich, die Frauen langhaarig im Minirock und die Männer mit Koteletten so dicht wie Teppichbürsten, einem Veranstaltungsgelände, das in seiner leichten Modernität wie hingezaubert wirkte, und dies alles unter einem bayerischen Föhnhimmel. Einem deutschen Regisseur hätte man vorwerfen können, hier schöngemalt zu haben, einem israelischen Regisseur eher nicht. Auch deshalb war es eine kluge Entscheidung der Produzenten Nico Hofmann und Ariane Krampe, den seit Langem in Deutschland lebenden, in Tel Aviv geborenen Dror Zahavi mit der schwierigen Aufgabe zu betrauen, von einer Tragödie zu erzählen, die inzwischen als „Stunde null des internationalen Terrorismus“ betrachtet wird.

Elf tote israelische Sportler

Denn die Spiele der sanften Sicherheitskonzepte endeten am 5. September mit dem Überfall palästinensischer Terroristen auf das olympische Dorf. Elf israelische Sportler wurden als Geiseln genommen und schließlich bei einem dilettantischen Befreiungsversuch getötet, außerdem starben ein deutscher Polizist und fünf der Attentäter. Die scheinbar sorglose Lockerheit wich dem Gefühl, an einer Flanke verletzlich zu sein, mit der bis dahin niemand gerechnet hatte.

Zahavi zeigt diesen historischen Einschnitt ins kollektive Bewusstsein in verschiedenen Handlungssträngen: Einer dreht sich um die halbfiktive Figur des Hubschrauberpiloten Michael Bruckner sowie die junge Polizistin Anna Gerbers. Sie ist der realen Figur der Beamtin Anneliese Graes nachempfunden, die damals in München vorgeschickt wurde, um mit den Terroristen zu verhandeln. Ein weiterer um den israelischen Fechttrainer André Spitzer, der mit Frau und Baby als Geste der Versöhnung nach München gereist war, und dort sterben musste. Der dritte nimmt die palästinensischen Attentäter in den Fokus, und der vierte, umfassendste, zeigt die hilflos und planlos wirkenden Akteure der deutschen Staatsgewalt.

Überhöhung und Fiktionalisierung des Themas

Steven Spielberg warf in seinem Politthriller „München“ vor einigen Jahren die weiter reichende Frage auf, wohin der Kampf gegen den Terror führt, wenn man Gewalt mit Gegengewalt beantwortet. Auch Zahavi fährt auf dieser Spur, ist dabei aber weniger Partei als reflektierter Beobachter. Bei seiner Arbeit stand ihm ein präzise recherchiertes Drehbuch von Martin Rauhaus zur Verfügung, in dem die deutsche Sichtweise, aber auch die Perspektive der Angehörigen der getöteten israelischen Geiseln sowie die Beweggründe der palästinensischen Attentäter berücksichtigt sind, und Spekulationen wenig Raum gegeben wird.

„Es ranken sich schon genug Legenden um das Drama, und ich wollte auf keinen Fall einen Film drehen, der neuen Hass zwischen Israelis und Palästinensern schürt“, sagte Zahavi bei der Vorpremiere von „München 72“ in der Stadt des Geschehens. Stattdessen versucht er in der Überhöhung und Fiktionalisierung des Themas, Verständnis zu wecken für die ineinander verflochtenen historischen Beziehungen, die Verwerfungen zwischen den drei Völkern.

Dass auch die nach den fröhlichen Anfangsbildern nur noch düsteren Teile des Films überzeugen, mag auch daran liegen, dass man unter großem finanziellem Aufwand die Darsteller der Sportler und der Terroristen unter Juden und Arabern in Israel gecastet hat. „Das war nicht nur einfach am Set“ , sagte Dror Zahavi, „aber so sind diese Menschen sich begegnet und haben sich friedlich auseinandergesetzt.“

ZDF, 20.15