Der SWR setzt auf der Schwäbischen Alb die letzten Lebensmonate des Generalfeldmarschalls Erwin Rommel aufwendig in Szene. Ein heikles Projekt.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Normandie, 1944, in der Nähe des "Atlantikwalls", mit dem Hitler die Westmächte zurückschmettern will. Generalfeldmarschall Rommel unternimmt eine Inspektionsfahrt, vorbei an Stoppelfeldern und Wiesen, in der Ferne grasen Pferde. Mit ihm in der schwarzen Cabrio-Limousine sitzen General Schmundt, der Chefadjutant des Heeres beim Führer, und Rommels Adjutant Aldinger sowie sein Fahrer. Das Auto, ein Original-Horch, wird von drei militärischen Begleitfahrzeugen eskortiert. Plötzlich ein Dröhnen und Jaulen am Himmel: Alliierte Tiefflieger nehmen die Nazis unter Beschuss. Doch der "Wüstenfuchs" bleibt unverletzt.

 

Die Szene nimmt nur ein paar Sekunden ein im großen TV-Drama über den legendären Hitler-General Erwin Rommel, mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle, das im Herbst 2012 in der ARD zu sehen sein wird. Seit Anfang September dreht die Potsdamer Produktionsfirma Teamworx im Auftrag des SWR in Deutschland und Frankreich den Film mit dem Arbeitstitel "Rommel".

Schwäbische Alb statt Normandie

Im Transporter, ein Original Opel Blitz, sitzt Jochen Schneider aus Beuren. Seine grüne Uniform sieht frisch gewaschen und ziemlich neu aus. Er ist Komparse, im wirklichen Leben gelernter Energieelektroniker und Betriebswirt. Seine Aufgabe? "Im Fahrzeug sitzen", wie er sagt. Und warten, denn die Pausen zwischen den Aufnahmesequenzen sind lang. Dass auf den Konvoi noch ein Fliegerangriff niedergehen soll, weiß er gar nicht: Am Set bleibt der wolkenlose Herbsthimmel den ganzen Tag ruhig. Die Attacke aus der Luft wird später am Computer simuliert.

Und der Feldweg, über den Ulrich Tukur in der eleganten Karosse mit Harry Blank als Schmundt und Robert Schupp als Aldinger nun zum wiederholten Mal dem auf einer kleinen Anhöhe postierten Kamerawagen entgegenfährt, liegt auch nicht in der Normandie, sondern auf der Schwäbischen Alb, im Landkreis Reutlingen, westlich von Römerstein-Böhringen. Vom angrenzenden Hof trägt der Wind ab und an ein Wiehern und eine Brise Jauche herbei.

Fokus auf den letzten sieben Lebensmonaten

Gedreht wird Szene 6, es ist der achte Drehtag in Baden-Württemberg, am nächsten Tag will die Film-Karawane mit ihren Trailern und Lastwagen ins bayerische Stanggaß weiterziehen - die Filmfördergesellschaften Bayerns und Baden-Württembergs unterstützen das Vorhaben, deshalb muss auch in den entsprechenden Regionen gedreht werden.

Der Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein fokussiert die letzten sieben Lebensmonate des "Wüstenfuchs", in welche aus Steins Sicht die "einschneidensten Ereignisse seines Lebens fallen": die Invasion, das missglückte Attentat auf Hitler am 20. Juli. Es sei eine Zeit, in der sich die Zerrissenheit Rommels "zwischen ,Unbedingtem-glauben-Wollen' und ,Nicht-mehr-wegschauen-Können"' offenbare, wie Stein in einer Anmerkung zum Film schreibt. Ihm gehe es darum, den Konflikt des Menschen Erwin Rommel zu zeigen, genauer: "das allmähliche und (zu) späte Erkennen, dass der, dem man leidenschaftlich gedient hat, ein Verbrecher ist."

Gehorsamer Soldat in existenziellen Gewissensnöten

Der Film umspannt die Monate im Jahr 1944, in denen Rommel, der vom Heidenheimer Lehrerssohn zu Hitlers Lieblingsoffizier avanciert war, in seinem Hauptquartier bei La Roche-Guyon in den Einflusskreis des Widerstands gerät. Monate, in denen er erkennen muss, dass Hitlers Befehle in die Katastrophe führen, und offen darüber nachdenkt, die Front zu öffnen und mit den Westmächten zu verhandeln. Trotzdem sichert der Feldmarschall dem Diktator weiterhin seine Gefolgschaft zu. So zumindest will es der Film darstellen.

Der gehorsame Soldat in existenziellen Gewissensnöten; die Ideale, die von der Wirklichkeit zertrümmert werden: dieser große menschliche Konflikt, der exemplarisch für die ganze Nation gelesen werden kann - das hat Shakespeare'sche Qualitäten, das ist wie gemacht für einen dramatischen Fernsehabend, noch dazu mit einem Schauspieler vom Kaliber eines Ulrich Tukur. Doch davon ist in der kleinen Feldweg-Szene nicht viel zu spüren. Nachdem sie im Kasten ist, werden Fahrzeuge und Schauspieler für die Presse arrangiert, es dauert eine Weile, bis die Fotografen zufrieden sind. Tukur im schweren Ledermantel stellt das linke Bein auf das Trittbrett des Oldtimers, stützt den Ellbogen auf die Tür und gibt ein wenig Druck auf die Lippen. Gerade hat er noch seine Späße gemacht, sich dann kurz müde aufs Trittbrett gesetzt. Jetzt ist er wieder der Rommel, General bis in die kleinste Pore.

Familie Rommel übt scharfe Kritik am Film

"Tukur als Rommel, das war mein erster Gedanke", sagt Niki Stein ein paar Minuten später bei der Pressekonferenz. Und: "Rommel war ein Mensch mit Humor. Und ein Schwabe. Das kann nur Ulrich Tukur sein. Er wird ihn sympathisch machen." Wie immer in seinen Filmen gehe es auch dieses Mal darum, das Verhalten von Menschen nachvollziehbar zu machen; er wünsche sich, dass sein Film dazu beitrage, die Figur Rommel in ihren Widersprüchen zu verstehen. An Steins rechter Seite steht Christine Strobl, die Fernsehfilmchefin des SWR. Sie ordnet das Drama in die Tradition des Senders ein, sich großer historischer Stoffe anzunehmen. "Rommel" sei ein Film, mit dem man hoffe, am Ende Diskussionen anstoßen zu können.

Diskussionen hat der Film indes schon erzeugt, ehe er fertig ist: Die Familie Rommel übte scharfe Kritik an der Darstellung von Manfred Rommels Vater; er werde in ein falsches Licht gerückt, als "Emporkömmling" und Hitlers "Günstling" dargestellt, das Skript sei historisch ungenau, so die Vorwürfe. Es gab einen Brief der Familie Rommel an den SWR, der an die Öffentlichkeit gelangte; die Familie sprach von "Vertrauensbruch".

Der Produzent Nico Hofmann ist deshalb froh, im Pressezelt droben auf der Alb eine gute Nachricht verkünden zu können. Er und Christine Strobl kämen gerade von einem Besuch bei den Rommels, man sei in Stuttgart mit Butterkuchen empfangen worden und habe in einer " warmherzigen, klugen Auseinandersetzung" den Streit beigelegt und vereinbart, gemeinsam den Rohschnitt anzuschauen, berichtet Hofmann, um gleich darauf noch einmal seinen Anspruch zu betonen: "Es geht nicht darum, ein Familienbild zu wahren, sondern wir müssen mit diesem Film vor der Weltöffentlichkeit bestehen."

Wie viel ist Dichtung, wie viel Wahrheit?

Wie bei jeder Fiktionalisierung eines historischen Stoffs schwebt von Anbeginn an auch über dem Rommel-Film die große Frage: Wie viel ist Dichtung, wie viel Wahrheit? Wie verhalten sich künstlerische Freiheit und historische Überlieferung? Im Falle des schwäbischen Generals kommt die Frage hinzu, wie die Überlieferungsgeschichte selbst zu bewerten ist. Darauf macht in der Runde der Mannheimer Historiker Peter Steinbach aufmerksam, einer von mehreren Beratern, die Nico Hofmann konsultiert hat, um seinen Film, zumindest aus wissenschaftlicher Sicht, wasserdicht zu machen. Er würde protestieren, wenn die Figur verzeichnet würde, sagt Steinbach, ein Drehbuchautor müsse Geschichte verdichten.

Am ehesten gelingt es Ulrich Tukur mit dem, was er über seine Filmfigur zu sagen hat, wenigstens ein paar der Fragezeichen im Pressezelt zu verscheuchen und die Vorfreude auf den Film zu schüren: "Er war ein geradliniger, hochanständiger Mensch, der den Traum vom noblen Soldaten hatte und an den Verwerfungen der Wirklichkeit scheiterte; ein hervorragender Soldat, aber kein Politiker." Er selbst kenne diesen Traum vom Krieger, habe als Zehnjähriger Militärromane gelesen, erzählt Tukur, und auch das "Schwäbisch-Schnarrende" Rommels sei ihm aus seiner Familie vertraut.

Dann muss der 54-jährige Darsteller wieder los, zum Dreh. Draußen vor dem Zelt haben die Filmleute zwei tote Pferde auf die Wiese gelegt - die Tiefflieger fordern wohl doch Opfer. Die Vierbeiner sind allerdings ebenso wenig echt wie der Luftangriff, so ist das nun mal im Filmgeschäft, auch bei einem Rommel-Drama.

Das Leben Rommels als Inspiration

Filme: Das Leben Erwin Rommels und seine militärischen Leistungen wurden mehrfach filmisch verarbeitet, etwa von Billy Wilder im Film „Fünf Gräber bis Kairo“ von 1943 oder in „Rommel, der Wüstenfuchs“ aus dem Jahr 1951 mit James Mason in der Titelrolle.

Schauplätze: Der SWR-Film illustriert die letzten sieben Monate des Generalfeldmarschalls. Das Drehbuch stammt von Niki Stein („Bis nichts mehr bleibt“), er führt auch Regie. Mit der Produktion wurde Nico Hofmann und seine Firma Teamworx beauftragt. Die Produktionskosten belaufen sich auf rund sechs Millionen Euro. Gedreht wird in Baden-Württemberg, Bayern und Frankreich, zum Teil an Originalschauplätzen wie dem Schloss von La Roche-Guyon, das Rommel als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B als Hauptquartier nutzte. Der Film soll im Herbst 2012 in der ARD ausgestrahlt werden.

Handlung: Der Film von Niki Stein setzt am 14. Oktober 1944 im Privathaus Rommels in Herrlingen bei Ulm ein, als die Gestapo den Feldmarschall mit dem Vorwurf konfrontiert, vom Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 gewusst und damit Hochverrat begangen zu haben. Sein Ruhm als Feldherr bewahrt ihn jedoch vor einem Schauprozess, er wird zum Selbstmord gezwungen.

Fragen: Über die Beziehung Rommels zum Widerstand und darüber, wie viel er von den Attentatsplänen der Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg wusste, herrscht bis heute Unklarheit.