Im französischen Präsidentschaftswahlkampf treten die Affären der Spitzenkandidaten jetzt wohl in den Hintergrund.

Paris - Im französischen Präsidentschaftswahlkampf geht es endlich zur Sache. Affären, die monatelang die Schlagzeilen beherrschten, verstellen nicht mehr den Blick auf Inhaltliches. Nicht, dass die Vorwürfe ausgeräumt wären, denen sich der konservative Spitzenkandidat Francois Fillon und seine rechtspopulistische Rivalin Marine Le Pen ausgesetzt sehen. Beide sind in  Scheinarbeitsaffären verstrickt.

 

Fillon soll Frau und Kindern auf Kosten der Nationalversammlung zu rund 800 000 Euro verholfen haben. Vertraute Le Pens sollen die Kassen ihrer Partei, des Front National, mit Geldern des EU-Parlaments gefüllt haben.  Aber knapp drei Wochen vor der ersten Wahlrunde scheinen die Franzosen der Schlammschlachten müde. Passend dazu werden die Moderatoren des zweiten TV-Duells der Kandidaten an diesem Dienstagabend Programmatisches in den Vordergrund rücken.

Unterschiedliche Rezepte

Die Emotionen dürften trotzdem hohe Wogen schlagen. Da profiliert sich Fillon etwa im Kielwasser Le Pens mit einer Anti-Immigrations-Politik, die Flüchtlinge abschrecken soll, aber auch für deren Leid empfängliche Landsleute verprellt. Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, laut Umfragen die Hauptsorge der Franzosen, reichen die wichtigsten Spitzenkandidaten – Le Pen, Fillon, der Sozialliberale Emmanuel Macron, der Sozialist Benoît Hamon und der Linksaußen Jean-Luc Mélenchon – höchst unterschiedliche Rezepte.

Auch auf dem Gebiet der Atomkraft heben sich die großen Fünf deutlich voneinander ab. Fillon tritt als glühender Verfechter der Kernenergie vor den Wähler, Hamon und Mélenchon propagieren den kompletten Ausstieg bis 2050. Nach dem Motto „die Franzosen zuerst“ marschiert Le Pen im Kampf gegen Fremde vorneweg. Die Chefin des Front National verspricht, die illegale Einwanderung komplett zu stoppen und jährlich maximal 10 000 Ausländer legal einreisen zu lassen. Was etwa bedeuten würde, dass der Großteil der sich jährlich in Frankreich immatrikulierenden 70 000 ausländischen Studenten künftig draußen bleiben müsste. Fillon fällt programmatisch nicht weit dahinter zurück. Der Konservative will die „Einwanderung maximal reduzieren“.

Massive staatliche Investitionen

Familienzusammenführung soll es nur geben, wenn alle Betroffenen Französisch sprechen. Auch plädiert der „Republikaner“ für abschreckende Startbedingungen. Sozialleistungen sollen Fremde erst nach zwei Jahren regulären Aufenthalts erhalten, auf medizinische Versorgung haben sie keinen Anspruch mehr.

Was die Beschäftigungspolitik betrifft, setzen Hamon und Mélenchon auf massive staatliche Investitionen und großzügige Unterstützung der Arbeitslosen. Macron und Fillon setzen auf finanzielle Entlastung und größere arbeitsrechtliche Freiheiten für Unternehmer. Hamon scheint den Kampf gegen die zurzeit 9,7 Prozent betragende Arbeitslosigkeit in Zeiten fortschreitender Digitalisierung und des zunehmenden Einsatzes von Robotern bereits verloren zu geben.

Die Atomwirtschaft stärken

Der Sozialist plädiert für ein vom Staat gewährtes Grundeinkommen für alle Bürger, das die Existenzsicherung vom Broterwerb entkoppeln würde – Kostenpunkt 400 Milliarden Euro. Mélenchon plant kürzere Wochenarbeitszeiten, „damit die Arbeit für alle reicht“. Macron und Fillon wollen Arbeitslose durch eine stufenweise Kürzung staatlicher Hilfen dazu bewegen, auch ungeliebte Jobs anzunehmen. Beide wollen die Arbeitszeitregelung in die Hand der Sozialpartner zu legen, die das für Branchen oder einzelne Unternehmen Passende aushandeln sollen. Le Pen wiederum möchte den Arbeitsmarkt entlasten, indem sie Ausländern den Zugang erschwert.

Klare Kante zeigen die Kandidaten auch in der Atompolitik. Fillon und Le Pen wollen die geplante Stilllegung des Kernkraftwerks Fessenheim nicht hinnehmen, Frankreichs ältesten Meiler nicht vom Netz nehmen wollen. Der Konservative verspricht, die Atomwirtschaft zu stärken und die Laufzeit bestehender Reaktoren von 40 auf 60 Jahre zu erhöhen. Macron, Hamon und Mélenchon hingegen wollen an der Schließung des AKW Fessenheim festhalten und Frankreichs Abhängigkeit von der Kernkraft schrittweise verringern. www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.tv-debatte-in-frankreich-schlagabtausch-der -praesidentschaftskandidaten.126943c9-3bbb-4805-af6c-b9c2e99b6efa.html