Kanzlerkandidat Martin Schulz hat beim TV-Duell mit Angela Merkel vor der Bundestagswahl den Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert.

Berlin - Nach der Festnahme von zwei weiteren Deutschen in der Türkei hat sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz für einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara ausgesprochen. „Wenn ich Kanzler werde, werde ich (...) die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union abbrechen“, sagte er am Sonntag beim einzigen Fernsehduell mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Bundestagswahl. „Es ist ein Punkt erreicht, in dem wir die wirtschaftlichen Beziehungen, die Finanzbeziehungen, die Zollunion und die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union beenden müssen.“

 

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Der Stopp der Gespräche war zuvor auch schon von der CSU und den Linken gefordert worden. Am Freitag war bekannt geworden, dass zwei Deutsche im Urlaubsort Antalya festgenommen worden waren. Ihnen werden Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen, die die türkische Regierung für den gescheiterten Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich macht.

Insgesamt sitzen jetzt zwölf Deutsche aus politischen Gründen in der Türkei im Gefängnis. Die Bundesregierung hat deswegen Mitte Juli einen neuen Kurs in der Türkei-Politik eingeschlagen, die Reisehinweise verschärft und weitere Reaktionen angedroht.

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Über einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen müssten allerdings die Mitgliedstaaten einstimmig entscheiden, was wegen des Widerstands einzelner Mitglieder derzeit aussichtslos erscheint. Eine solche Forderung hat also zunächst einmal nur Symbolwert.

Es gibt aber noch einen anderen Weg: In den Leitlinien für die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist vorgesehen, dass die Gespräche bei einem „schwerwiegenden und anhaltenden Verstoß“ gegen europäische Grundwerte zumindest vorübergehend gestoppt werden. Konkret genannt sind die Prinzipien der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit.

Es handelt sich also genau um die Prinzipien, bei denen die Bundesregierung klare Verstöße in der Türkei sieht. Eigentlich müsste die EU-Kommission in einem solchen Fall das Aussetzen der Verhandlungen empfehlen. Bei einer Abstimmung darüber, müssten dann nur 16 der insgesamt 28 Mitgliedsstaaten zustimmen, sofern diese Staaten mindestens 65 Prozent aller Bürger in der Union vertreten. Wegen der weitreichenden politischen Wirkung hat die EU-Kommission aber bisher keine solche Empfehlung abgegeben.