Am 3. September ist das TV-Duell von Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD). Wer kann dabei punkten? Der Freiburger Politikwissenschaftler Uwe Wagschal begleitet den Auftritt mit einem „Debat-O-Meter“.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz am Abend des 3. September ist das Großereignis dieses Bundestagswahlkampfes. In Kooperation mit der Universität Freiburg bietet unsere Zeitung ihren Lesern erstmals die Möglichkeit, sich während der laufenden Fernsehdebatte zustimmend oder ablehnend zu den einzelnen Argumenten der Kandidaten zu äußern – mit dem sogenannten „Debat-O-Meter“.

 

Das selbe Angebot zum Abstimmen gibt es für die Fernsehdebatten mit den Kandidaten der kleineren Parteien am 30. August und am 21. September.

Ein Team aus Computer- und Politikwissenschaftlern wertet jeweils die Ergebnisse aus und stellt am Ende fest, wer nach Ansicht der Zuschauer gewonnen hat. Der Freiburger Politikprofessor Uwe Wagschal ist einer der Väter des „Debat-O-Meter“ und hat viele Fernsehduelle von Kandidaten beobachtet.

Herr Wagschal, welche Bedeutung haben TV-Duelle für den Wahlausgang?
TV-Duelle sind ein Element in einem oft wochenlangen und intensiven Wahlkampf. Es gibt viele Mythen, die sich um den Einfluss von TV-Duellen auf den Wahlausgang ranken. Am prominentesten ist sicher das TV-Duell zur Präsidentschaftswahl in den USA 1960, als ein jugendlich und frisch wirkender Kennedy den kränkelnden und ungepflegt aussehenden Kandidaten der Republikaner Nixon im TV-Duell zu übertrumpfen schien und auch die Wahl für sich entscheiden konnte. Bei unserem letzten Einsatz in Schleswig-Holstein hat der Herausforderer Günther von der CDU das TV-Duell klar gegen den Ministerpräsidenten Albig gewonnen und später eben auch die Wahl. In England hat im Frühsommer Theresa May durch schlechte Debatten ihren vermeintlich sicheren Sieg wieder fast verloren. Ein Sieg im TV-Duell kann also eine Rolle spielen. Oft ist es auch die wohl größte Chance für den Herausforderer zu punkten, weil der Amtsinhaber einen Bonus besitzt.
In den persönlichen Werten liegt Angela Merkel zurzeit weit vor ihrem Herausforderer Martin Schulz. Kann der SPD-Kanzlerkandidat durch einen gelungenen Fernsehauftritt das Blatt noch wenden?
Wir wissen aus der Vergangenheit, dass der Kandidat immer wichtiger wird. Gerade, wenn es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinausläuft und der Abstand zwischen zwei Parteien relativ gering ist, kann eine solche Debatte den Ausschlag geben. Merkel scheint jedoch in den aktuellen Umfragen einen großen Vorsprung zu haben. Aber in Deutschland gilt auch: Es regieren zumeist Koalitionen, weshalb die Koalitionsfrage die große Unbekannte beim Wahlausgang sein wird. Und in der Vergangenheit gab es mitunter noch kurz vor der Wahl deutliche Bewegungen, wie etwa 2002, als Schröder den weit vorne liegenden Stoiber noch überholte.
Sie haben bereits viele Fernsehdebatten ausgewertet. Welches Politikerverhalten kommt bei den Zuschauern besonders gut an – und welches besonders schlecht?
Wir merken mit dem Debat-O-Meter, dass emotionale Argumentationen gut ankommen – das bloße Herunterbeten von Zahlen und Leistungen kommt eher schlecht an. Aggressivität wird ebenso eher negativ bewertet. Schlagfertigkeit kommt dagegen immer gut an – ein gutes, witziges Gegenargument bringt Punkte. Der rhetorisch Begabte hat hier klare Vorteile. Und natürlich ist Empathie wichtig, also ein überzeugendes Mitfühlen mit benachteiligten Gruppen. Kretschmann hat das vor anderthalb Jahren bei der Landtagswahl ganz gut hinbekommen, als er für die Krankenversorgung von Flüchtlingen vehement eintrat. Aber eines sollte auch klar sein: gut eine Regierung zu führen ist nicht gleich zu setzen mit einer Redebegabung.
Die Teilnahme von Zuschauern am Debat-O-Meter ist freiwillig. Wie repräsentativ können dann die Ergebnisse sein?
Dazu müsste man zunächst klären, auf wen sich die Repräsentativität beziehen soll: Auf die Gesamtbevölkerung, die Wahlbevölkerung (also nur Wahlberechtigte) oder die tatsächlichen Wähler. Letztere sind die, die uns vor allem interessieren. Teilnehmen kann aber jeder. In Schleswig-Holstein lagen wir bei der Altersverteilung der Teilnehmer schon ziemlich gut an der tatsächlichen Bevölkerung. Für die Auswertung fokussieren wir uns dann auf die Wahlberechtigten, die tatsächlich wählen wollen. Gleichzeitig gewichten wir dann mit dem Geschlecht, dem Alter, der Bildung sowie der regionalen Zugehörigkeit. So können wir Ungleichgewichte bei den Teilnehmern ausgleichen. Unser Vorteil ist, dass wir in ganz Deutschland über die Regionalzeitungen zur Teilnahme am Debat-O-Meter werben. Wir rechnen mit etwa 20000 Teilnehmern und damit kann man dann auch einiges kontrollieren.
Und wie schließen Sie Missbrauch zum Beispiel durch fremdgesteuerte Computerprogramme oder besonders engagierte Parteigruppierungen aus?
Zunächst einmal muss sich jeder einloggen und dabei ein kleines „Capture“ lösen. Dann wird nur eine Bewertung pro Sekunde gewertet. Missbrauch sehen wir sofort und die Teilnehmer werden schnell entfernt. Und dann haben unsere Informatiker den höchstmöglichen Sicherheitsstandard eingebaut, so dass Trolle identifiziert und aussortiert werden. Engagierte Parteisoldaten könnten auf den ersten Blick ein Problem sein. Da die aber immer nur für ihren Kandidaten abstimmen, sind die nicht für die Veränderungen der Messkurve verantwortlich. Das sind die Unabhängigen, Unentschiedenen und noch Unentschlossenen.

So funktioniert der Debat-o-Meter

Gehen Sie am Abend der Debatte mit ihrem Smartphone, Tablet oder PC auf die Site von Debat-o-Meter.

Das Debat-O-Meter wird eine Stunde vor Beginn der Debatte freigeschaltet.

Sie brauchen nichts auf ihrem Endgerät zu installieren, sondern können direkt teilnehmen. Achten Sie darauf, dass Sie eine stabile Internetverbindung haben, ihr Akku aufgeladen und idealerweise die Bildschirmsperre ausgeschaltet ist, damit sie direkt Ihre Eindrücke mitteilen können. Füllen Sie die kurze Vorbefragung aus, lesen Sie die knappe Bedienungsanleitung und schon sind Sie bei der Echtzeitbewertung dabei. Die Teilnahme ist kostenlos und völlig anonym.

Hier geht's zum Debat-o-Meter

Im Anschluss an die Diskussion erhält jeder Teilnehmer eine individuelle Auswertung der eigenen Klicks, die zeigt, in welchen Themenbereichen er oder sie näher bei einem der Kandidaten war, vergleichbar in etwa mit dem Wahl-O-Mat, der die Programme der einzelnen Parteien auswertet. Am nächsten Tag kann man auf Wunsch von den Freiburger Debat-O-Meter-Machern zudem noch eine detaillierte Gesamtauswertung zugeschickt bekommen.

Das „Duell vor dem Duell“ der kleinen Parteien wird am Mittwoch, 30. August, um 22.30 Uhr auf Sat.1 ausgestrahlt. Das „TV-Duell“ Merkel gegen Schulz kommt am Sonntag, 3. September um 20.15 Uhr parallel auf Sat.1, RTL, ARD und ZDF. Die „Schlussrunde“ wird am Donnerstag, 21. September, um 22.00 Uhr auf ARD und ZDF übertragen.