Der Hessische Rundfunk erzählt am Mittwoch im Ersten in dem Jugenddrama „Aus der Kurve“ eine reizvolle Geschichte mit völlig unbekannten jungen Schauspielern.

Stuttgart - Die Fernsehfilmabteilung des Hessischen Rundfunks (HR) ist nun schon seit einigen Jahren immer wieder für Überraschungen gut. Auf dem Mittwochsfilmtermin im Ersten hat der HR einige Geschichten erzählt, die mindestens mysteriös waren, und die Sonntagskrimis sind durchweg bemerkenswert. Mit „Aus der Kurve“ stellt sich der Sender gegen den Trend, aus jedem Stoff einen Krimi zu machen.

 

Zwar geht es im Drehbuch (Stephan Brüggenthies, Andrea Heller) um einen Mord, aber der Regisseur Stanislaw Mucha erzählt die Geschichte als Drama eines jungen Mannes, der plötzlich den Boden unter den Füßen verliert: In seinem Heimatdorf ist vor acht Jahren ein Elfjähriger ermordet worden. Tom (Andreas Helgi Schmid), damals siebzehn, ist ins Visier der Ermittler geraten, weil er kein Alibi hatte, doch der Fall konnte nie aufgeklärt werden. Mittlerweile lebt der junge Mann samt seiner Freundin Eva (Luise Wolfram) in Frankfurt und hat mit seinem Jugendfreund Chris (Nico Ehrenteit) einen Fahrradladen eröffnet. Eines Tages steht die Polizei vor seiner Tür: Der Fall wird wieder aufgerollt, Tom soll eine DNA-Probe abgeben. Auf die Polizei folgen die Medien – plötzlich gilt er wieder als mutmaßlicher Mörder, und selbst Eva geht auf Distanz.

Noch bemerkenswerter als der weitgehende Verzicht auf die üblichen Krimielemente ist das Vertrauen der Redaktion, die ihre Filme traditionell im eigenen Haus produzieren lässt, in die Beteiligten: Die wichtigsten Mitwirkenden wie auch das Team hinter der Kamera sind weitgehend unbekannt. Namhafte Schauspieler tummeln sich mit Ludger Pistor und Waldemar Kobus Schauspieler allenfalls in den Nebenrollen.

Julia Riedler als rettender Engel ist eine Entdeckung

Die zentralen Figuren werden jedoch von jungen Darstellern verkörpert, die ihre Sache hervorragend machen. Gleiches gilt für den Regisseur: Mucha, vor zwölf Jahren für seinen Dokumentarfilm „Absolut Warhola“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, inszeniert das Drama zwar unaufgeregt, aber nie langweilig. Dem Film ist anzusehen, dass sein Etat nicht besonders hoch war, aber zum Ausgleich setzt Mucha gemeinsam mit der Kamerafrau Jennifer Günther immer wieder optische Akzente. Hier eine Unschärfe, dort eine Zeitlupe, gelegentlich eine ungewöhnliche Perspektive: Die Mittel sind schlicht, aber wirkungsvoll. Auch die Tonspur trägt mit Musik und Geräuschen maßgeblich zur subtilen Faszination bei.

Natürlich lebt Geschichte auch von der Spannung, weil sich die Schlinge um Toms Hals immer mehr zuzieht. Reizvoller ist allerdings die Tatsache, dass er keine Erinnerung an jenen Abend vor acht Jahren hat. Auch dafür findet der Film stimmige Bilder: In kurzen Einschüben sieht man immer wieder aus subjektiver Sicht alptraumhafte, stark grünstichige Aufnahmen, die wie Unterwasserbilder wirken. Später stellt sich raus, dass es sich um den Wald handelt, in dem der kleine Junge ermordet worden ist; sogar Tom selbst ist sich nicht sicher, ob er wirklich nichts mit dessen Tod zu tun hat. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als wie ein klassischer Hitchcock-Held eigene Nachforschungen anzustellen. Unverhoffte Hilfe wird ihm dabei durch die unkonventionelle Fotografin Laura zuteil, die ebenfalls aus dem Dorf kommt und die nicht nur wegen ihrer damaligen Schnappschüsse zu Toms rettendem Engel wird; mit Julia Riedler hat der HR eine ziemlich aufregende neue Schauspielerin entdeckt.